Massive Probleme sieht ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger auf Österreichs Patienten zukommen: Der Mangel an Hausärzten werde immer größer, warnt Rasinger im Gespräch mit der Kleinen Zeitung: "Wir laufen europaweit in einen Hausärztemangel hinein. In Österreich machen junge Ärzte oft nicht einmal mehr die Ausbildung im eigenen Land. Es ist fünf vor zwölf."

Rasinger lehnt den im Zuge der Gesundheitsreform geplanten Aufbau einer neuen Primärversorgung als "luftleere Blase" ab. Primärversorgungszentren würden eine "deutliche Verschlechterung" der Gesundheitsversorgung bedeuten. "Das ist ein Schlagwort, eine luftleere Blase und bedeutet für die Patienten einen Rückschritt. In England ist in solchen Zentren eine Schwester vorgeschaltet, die dann beurteilt, ob der Patient krank genug ist, um von einem Arzt angeschaut zu werden. Wollen wir das auch in Österreich?"

Mit der neuen Primärversorgung sollen im Zuge der bereits beschlossenen Gesundheitsreform Ärzte, Therapeuten und Pflegefachkräfte ganztätig für die Patienten zur Verfügung stehen und damit die Spitäler und Ambulanzen entlasten. Dafür können entweder neue Zentren errichtet oder bestehende Einrichtung vernetzt werden.

Für Rasinger ist die Vernetzung "nur ein Schlagwort" und die Primärversorgungszentren können für ihn nicht die Lösung sein. Das sei weder sein politischer Wille noch jener der ÖVP, betonte der Gesundheitssprecher. Die Primärversorgungszentren hätten den Nachteil, dass eine durchgängige persönliche Betreuung des Patienten durch einen Arzt nicht mehr möglich sei. Außerdem seien die Zentren in der Regel nicht in Geh-Weite des Patienten.

Hausärzte mit weniger Umsatz

Rasinger, von Beruf selbst Hausarzt, will "mit allen Mitteln verhindern, dass der Hausarzt zerstört wird". Der Hausarzt müsse erste Anlaufstelle für den Patienten sein und auf allen Ebenen aufgewertet werden. Rasinger verweist darauf, dass diese Aufwertung des Hausarztes auch im Regierungsprogramm festgeschrieben sei, nicht jedoch die Zentren.

Der ÖVP-Gesundheitssprecher warnt, dass Österreich trotz der neuen Ärzteausbildung einem "massiven Hausarztmangel" entgegen gehe. Nicht nur die beruflichen Rahmenbedingungen seien schlecht, sondern auch die finanzielle Situation. Rasinger verweist darauf, dass Allgemeinmediziner im Schnitt um rund 80.000 Euro im Jahr weniger Umsatz machen als Fachärzte. So sei der Umsatz der Allgemeinmediziner mit den Gebietskrankenkassen im Jahr 2013 bei rund 205.000 Euro gelegen, jener der Fachärzte hingegen bei 287.000 Euro. Wenn man den Allgemeinmedizinern nicht das gleiche zahle wie den Fachärzten, werde man keinen ausreichenden Nachwuchs bekommen, meinte Rasinger.

Replik der SPÖ

SPÖ-Gesundheitssprecher Erwin Spindelberger weist die Kritik seines ÖVP-Kollegen Erwin Rasinger am Modell der Primärversorgung zurück. Rasinger habe das Konzept der neuen Primärversorgung wohl nicht ganz verstanden, vermutet Spindelberger: Primärversorgung bedeute eben gerade die Stärkung des Hausarztes als erste Anlaufstelle im System, betonte Spindelberger in einer Aussendung.

Das beschlossene Konzept spreche explizit von einem "Team rund um den Hausarzt". Es gehe um eine bessere und ganztägige Versorgung von Patienten, nicht darum, die Hausärzte zu zerstören, wie Rasinger befürchtet hatte. Spindelberger warf seinem ÖVP-Kollegen, der selbst Hausarzt ist, vor, Klientelpolitik zu machen und Partikularinteressen zu vertreten.