Es blinkt und piepst nicht mehr in der Perspektivstraße 141. Dort, wo sonst Hunderte Spieler an den einarmigen Banditen im abgestandenen Rauch des Wiener Prater-Casinos Früchte gegen Geld rotieren lassen, ist nun nichts zu sehen als ein schwarzes Absperrband und in Plastikfolien gepackte Spielautomaten. Auf den Geräten prangen Schilder mit der Aufschrift „Außer Betrieb“. Ein schwarzgekleideter Securitymann weist höflich darauf hin, dass das größte Automatencasino Österreichs wegen „des neuen Gesetzes, von dem im Moment eh alle reden“ von nun an geschlossen habe.
Gratis-Taxis und Gutscheine
Das Gesetz, das der Mann anspricht, sieht das Verbot des sogenannten „Kleinen Glücksspiels“ in ganz Wien vor – und ist seit dem 1. Jänner gültig. Wird das Verbot ignoriert, drohen hohe Strafen. Pro Gerät sind bis zu 20.000 Euro abzuliefern, zudem wird der Automat eingezogen. Dass die Finanzpolizei anklingen ließ, auch eingepackte Automaten mitzunehmen, heizt den Glücksspielkleinkrieg weiter an.
Vor allem Branchenkrösus Novomatic, der 1500 der insgesamt etwa 2600 Automaten in Wien besitzt, stemmt sich nach wie vor gegen die Verordnung. Weil die Konzessionen für manche Geräte noch bis 2020 laufen, so Vorstandschef Harald Neumann, sei das Verbot verfassungswidrig. Der Weltmarktführer am Glücksspielmarkt hat schon vor Monaten Anwälte in Stellung gebracht, um seine Automaten in Wien wieder einschalten zu dürfen. Inzwischen aber, so Neumann, werden die Automaten „vorübergehend und vorsorglich“ ausgeschaltet.
„Eh wurscht, dann fahren wir halt nach Schwechat“, sagt ein adrett gekleideter Herr vor dem Prater-Casino. Er warte gerade auf ein Taxi, das ihn auf Kosten von Novomatic nach Schwechat in ein Admiral-Casino bringen soll. In Niederösterreich ist das Kleine Glücksspiel nämlich nach wie vor erlaubt. „Und einen 50-Euro-Gutschein zum Spielen haben’s mir auch mitgegeben“, frohlockt der Pensionist. Zudem bezweifelt er, dass das Verbot aufrechterhalten werden könne.
Hunde statt Früchten
In der Wiener Hütteldorferstraße, wo sich Spielsalon an Wettcafe reiht, ist die Stimmung nicht ganz so gut. Ein junger Mann südländischen Aussehens sitzt eher gelangweilt vor einem Bildschirm, der ein Hunderennen zeigt. Auf das etwa 30 Sekunden dauernde Spektakel habe er gerade fünf Euro gesetzt, das sei aber „nicht das Gleiche“ wie das Spiel am Automaten, erklärt er. Bei den Spielautomaten sei „mehr abzuschreiben“, wie der gelernte Spieler das Auszahlen von Gewinnen nennt. Nach Niederösterreich wolle er nicht fahren, lieber online spielen. Ein paar Meter neben ihm erkundigt sich eine ältere Dame, ob man hier auch „nur noch wetten“ könne. „Leider, ja“, antwortet ein Kellner. Alle Spielautomaten habe sein „Chef“ aus Angst vor Strafen entfernen lassen. Wohin, das wisse der Mann nicht. Ebenso sei er im Ungewissen, ob wegen der Umsatzeinbußen sein Job in Gefahr sei. Zusperren müssen die Lokale nicht, weil ja nach wie vor Wettautomaten das Publikum anlocken. „Aber gambeln kann man in ganz Wien nicht mehr“, fügt er hinzu.
Was jedoch nicht ganz stimmt. Im Casino in der Kärntner Straße dürfen sich die Früchte nämlich weiterdrehen, weil die Casinos Austria vom Verbot ausgenommen sind. „Wahnsinn, uns rennen’s seit gestern die Tür ein“, sagt eine Empfangsdame. Man müsse deswegen sogar zusätzliches Personal anstellen. Eine ältere Dame, die ihren ergatterten Automaten gerade mit einem Fünfziger gefüttert hat, findet daran sogar Gutes: Weil in den Casinos Austria Registrierpflicht herrscht, wüssten die Betreiber wenigstens, „wer die armen Teufel sind, denen man helfen muss“.
KLAUS KNITTELFELDER
Klaus Knittelfelder