F rau Nationalratspräsidentin, wie klingt denn diese neue Anrede in Ihren Ohren?

DORIS BURES: Ich verbinde diese Funktionsbezeichnung mit dem Auftrag des Nationalrats an mich, diese wichtige Aufgabe im Zentrum der Demokratie, im Parlament, zu übernehmen. Ich gehe mit großer Demut an sie heran.

Erfüllt es Sie mit Stolz, dieses formal zweitwichtigste Amt im Staate zu bekleiden?

BURES: Ich sehe das vor allem als große Verantwortung.

Begegnen Ihnen die Bürger jetzt anders als davor als Verkehrs- und Infrastrukturministerin?

BURES: Na ja, ich bin erst ein paar Tage in diesem Amt, war davor in der Regierung längstdienende Ministerin und war auch schon vorher bekannt. Freilich ist in dieser Funktion auch in der öffentlichen Wahrnehmung ein Unterschied.

Um den Ruf des Parlaments ist es ja nicht zum Besten bestellt. Was werden Sie dagegen tun?

BURES: Dieses Thema ist mir sehr wichtig. Ich habe das ja auch schon in meiner Antrittsrede erwähnt. Die überwiegende Mehrheit der Abgeordneten arbeitet hart, um die Lebenssituation der Menschen zu verbessern. Die Politiker werden allgemein unter ihrem Wert geschlagen.

Wie lassen sich denn die Sitten verbessern und die vielen verbalen Grobheiten bei Debatten im Nationalrat vermeiden?

BURES: Alle müssen einen Beitrag leisten. Ich stehe schon für eine leidenschaftliche Auseinandersetzung unterschiedlicher politischer Auffassungen. Das muss aber nicht verbunden sein mit Diffamierungen und Beleidigungen. Dabei kann man auch das Zusammenspiel von Politik und Medien noch optimieren.

Sind die Medien schuld am ramponierten Image?

BURES: Nein, keine Schuldzuweisung. Als Erstes habe ich ja die Politiker genannt. Erfreulicherweise hat in den Medien eine Diskussion darüber begonnen, wie Politik wahrgenommen wird. Wir müssen uns da bewusster werden, welche Verantwortung wir tragen.

Ihre Vorgängerin hatte sogar daran gedacht, verbale Rabauken zu bestrafen, um deren Reden zu zivilisieren. Denkbar für Sie?

BURES: Politiker sind keine Heiligen und keine Helden, sie werden wahrgenommen und sollten Vorbilder sein. Mein Ziel ist, dieses Bewusstsein zu schärfen. Die Form der Auseinandersetzung und das Mindestmaß an Respekt werden durch Strafen und Sanktionen nicht besser. Es soll nicht länger so sein, dass die Bürger den Fernseher einschalten, eine Plenumsdebatte sehen und sich denken: Ein Wahnsinn, wie es da zugeht. Besser wäre der Eindruck, die Parlamentarier suchen ernsthaft nach Lösungen, streiten sachlich. Wir brauchen eine zivilisiertere Streitkultur.

Soll die Immunität, die Straffreiheit von Abgeordneten, eingeschränkt werden? Darüber wird auch schon lange debattiert.

BURES: Das könnte ein Teil der Demokratiereform sein, zu der es im Herbst eine Enquete geben wird. Dabei geht es unter anderem um das Verhältnis von Exekutive und Legislative, die Minderheitenrechte und Stärkung der Rolle der Abgeordneten.

IstÖsterreich eine konfliktfähige, streitbare Demokratie?

BURES: Manchmal gibt es zu viele Angriffe unter der Gürtellinie. Man kann doch trotz unterschiedlicher Meinungen in der Politik menschlich miteinander umgehen und menschliche Beziehungen pflegen.

Ist der Eindruck richtig, das Parlament sei eigentlich nur Erfüllungsgehilfe der Regierung?

BURES: Auch dieses Bild muss man ein wenig zurechtrücken. Ich war ja auch lange Abgeordnete einer Regierungspartei, sieben Jahre einer Oppositionspartei, kenne das sehr genau. Wichtig ist die Gewaltentrennung zwischen Regierung und Legislative. Aber es gibt keinen "Eisernen Vorhang". Es ist Teil des Systems, dass die Regierung von einer Parlamentsmehrheit getragen wird.

Aber laut Verfassung soll das Parlament die Regierung kontrollieren. Reichen die Kontrollrechte dafür aus?

BURES: Das Parlament ist stark wie noch nie. Wir haben gute Bedingungen. Der Feind des Guten ist freilich das Bessere. Ich sehe es als meine Aufgabe, dies weiterzuentwickeln und fortzusetzen.

Sind Sie für mehr Transparenz im Parlament, zum Beispiel auch für TV-Übertragungen sogar aus den U-Ausschüssen?

BURES: Ich finde diese Diskussionen sehr interessant, habe mir aber noch keine abschließende Meinung dazu gebildet. Man muss zum Beispiel sehr aufpassen, die Privatsphäre von Zeugen zu schützen. Wir werden darüber reden, auch in der Enquetekommission zur Demokratiereform. Meine Aufgabe als Präsidentin ist es nicht, da irgendwelche Vorgaben zu machen.

Das Parlament vermittelt oft den Eindruck, bloße Durchwinkstation für Gesetze zu sein, die oft aus Ministerien kommen. Ist das noch zeitgemäß?

BURES: Es gibt immer mehr Initiativanträge aus dem Parlament. Meine Erfahrung als langjährige Ministerin ist, dass der Großteil meiner Novellen von allen Parteien, also einstimmig, angenommen wurde. Weil sie nicht am Parlament vorbei eingebracht wurden, sondern in Begutachtungen und Ausschüssen bearbeitet worden sind.

Sie dürften schon zu Jahresbeginn als Nationalratspräsidentin den Vorsitz eines Hypo-Untersuchungsausschusses zu führen haben. Wird das ein Problem für Sie als Nichtjuristin?

BURES: Es gibt hervorragendes Know-how dafür im Haus. Ich freue mich darauf und bin mir der auf mich zukommenden Verantwortung bewusst.

Sie sind von SPÖ-Chef Werner Faymann, mit dem Sie gut können, für das Amt der Nationalratspräsidentin nominiert worden. Haben Sie sich bei ihm dafür beworben, starkgemacht?

BURES: Meine Nominierung hat viel mit meiner Geschichte zu tun. Ich war 17 Jahre lang Abgeordnete hier, bevor ich Regierungsmitglied geworden bin.

Waren Sie, wie es gerüchteweise geheißen hat, als Ministerin schon amtsmüde?

BURES: Schaue ich aus wie eine amtsmüde Frau? (Lacht)

Man sieht das ja niemandem wirklich von außen an.

BURES: Ich bin so offen, so etwas würde man mir in der Regel ansehen, mir fehlen da die schauspielerischen Fähigkeiten.

Sie waren also die logische Kandidatin der Partei?

BURES: Nein, das nicht. Aber mein Herz war immer für den Parlamentarismus und diese Möglichkeit, diese schöne Aufgabe war zu ergreifen. Das ist eine große Auszeichnung.

Sie gelten als enge Vertraute des Kanzlers. Wie wollen Sie den Verdacht zerstreuen, jetzt Werner Faymanns Handlangerin zu sein?

BURES: Alle, die mich kennen, wissen, emanzipiert bin ich schon lange. Ich bitte, mich an den Taten zu messen. Drittens schließt Objektivität persönliche Beziehungen nicht aus. Ich traue mir zu, eine faire, überparteiliche Präsidentin zu sein, werde danach streben. Auch meine Vorgänger haben gezeigt, dass eine politische Heimat nicht im Widerspruch zu objektiver Vorsitzführung steht.

Frau Präsidentin, welches Buch lesen Sie gerade?

BURES (lacht): Ich habe Donna Leon im Urlaub gelesen, jetzt lese ich Robert Seethalers "Ein ganzes Leben" und die Geschäftsordnung des Nationalrats.

Werden Sie nach dem jetzt zweithöchsten Amt 2016 das höchste der Republik, die Bundespräsidentschaft, anstreben?

BURES: Ich schiele nicht nach einer anderen Funktion und denke keine Sekunde daran. Ich bin bis 2018 gewählt und bleibe da.