Sie sind seit zehn Monaten gewählter Abgeordneter. Lehrzeit schon abgeschlossen?

MATTHIAS STROLZ (lacht): Ich bin schon Geselle, würde ich sagen. Wir haben gezeigt, dass wir das gut können, haben Rankings gewonnen, dass wir die fleißigsten Abgeordneten sind ...

Sagt das wirklich etwas aus?

STROLZ: Ja, das ist schon mit Vorsicht zu genießen.

Sie haben im Nationalrat schon Hunderte Anträge gestellt. Ist es nicht naiv, zu glauben, ein Antrag genüge, um etwas zu ändern?

STROLZ: Nein, das war Kalkül. Wir wollen und haben damit Themen getrieben. Ich glaube, dass das Bildungsthema ohne uns heute woanders wäre. Auch das Pensionsthema hängt heute woanders als vor ein paar Jahren.

Überschätzen Sie Ihre Kleinpartei nicht doch ziemlich?

STROLZ: Freilich ist das vielen zu verdanken, auch den Medien. Aber auch den Neos, wir sind ein kleines Zahnrad im Getriebe.

Wollen Sie dieses Tempo, möglichst viele Anträge zu stellen, halten und überhaupt im Nationalrat bei dieser Taktik bleiben?

STROLZ: Beim Tempo bleiben wir, wollen uns aber stärker auf unsere drei Kernthemen konzentrieren: Bildung, enkelfitte Sozialsysteme, Stichwort Pensionen, und unternehmerisches Österreich.

Wann wird man wirklich wissen, was die Neos alles wollen?

STROLZ: Das kann man schon längst wissen. Wir haben ein Programm mit über 100 Seiten. Wir sind eine Bürgerbewegung, verstehen halt unter Parteiprogramm etwas anders. Aktuell sind 125 Gruppen am Arbeiten.

Haben Sie Verständnis für Leute, die gar nicht wissen, was die Neos sind und eigentlich wollen?

STROLZ: Ja, natürlich. Das ist ein großes Thema, das haben wir massiv unterschätzt. Wir haben geglaubt, so eine politische Marke sei innerhalb eines Jahres mit Inhalten zu befüllen. Doch das ist eine Aufgabe für Jahre. Im Moment steht Neos für viel, vor allem für neu und Erneuerung.

Sie sind schon berühmt für überraschende Vorstöße, haben zuletzt mehr Macht für den Bundeskanzler gefordert. Ist das nicht blauäugig? Platzt nicht sofort jede Koalition, wenn er ein Machtwort sprechen könnte?

STROLZ: Mehr Macht für den Kanzler wäre nur ein symbolischer Akt. Aber das ist wichtig.

So ein Symbol ändert doch nichts an Machtverhältnissen ...

STROLZ: Deswegen will ich ja die Software, das Set-up ändern. Die politischen Ablaufprozesse im Land müssen wir anpassen.

Was soll denn das heißen?

STROLZ: Wir werden in absehbarer Zeit auch Dreierkoalitionen haben. Dann muss es anders laufen.

Sie sprechen in Rätseln. Macht haben doch immer politische Mehrheiten und die entscheiden.

STROLZ: Deshalb werbe ich ja für Mehrheiten zusammen mit Neos. Ich will auch Richtung Persönlichkeitswahlrecht und glaube, dass es dafür eine Mehrheit gibt, aber die Parteien wollen es nicht.

Wie viele Jahrzehnte wird es dann dauern, bis wir so weit sind?

STROLZ: Das wird relativ rasch gehen. Wir konnten uns vor Kurzem auch noch nicht vorstellen, dass der Untersuchungsausschuss als Minderheitenrecht kommt. Jetzt ist er da. Alles ist möglich. Aus Sicht von SPÖ und ÖVP ist eine Katastrophe unterwegs. Das dominante Muster der Zweiten Republik, dieses Machtkartell siecht endgültig dahin. 2018 ist es aus.

Sie glauben, diese Regierung hält sich noch bis 2018?

STROLZ: Die Chance sehe ich bei 50 zu 50. Schon die Vorarlbergwahl im September könnte bei der ÖVP einen Obmannwechsel einläuten. Durchaus wahrscheinlich, dass sie in Vorarlberg stark verliert, der Druck in der Kiste steigt, die Länder machen Dampf, die ÖVP wechselt den Obmann, teilt die Funktionen in Parteichef und Vizekanzler. Der junge Sebastian Kurz wird 2015 Vizekanzler, Reinhold Mitterlehner Obmann. Die wollen mit der SPÖ weiterregieren, dann landen wir bei Neuwahlen nächstes Jahr.

Planen Sie schon einen neuen, baldigen Wahlkampf?

STROLZ: Ich brauche keine Neuwahlen. Aber wenn, würden wir auf jeden Fall auf unseren Kernthemen draufbleiben.

Stichwort Pensionen. Sie wollen die Staatszuschüsse dafür reduzieren, das heißt: weniger Geld für Pensionisten?

STROLZ: Ja. Klar ist, dass wir länger arbeiten müssen und die Zuschüsse zu hoch sind. Wir finanzieren in manchen Berufsgruppen zu viele Privilegien.

Sie meinen, unseren Pensionisten geht es zu gut?

STROLZ: Wir wollen ja die kleinen Pensionen weiter erhöhen. Aber ab 2500 Euro wollen wir zwei, drei Jahre keinen Inflationsausgleich. Und ab über 5000 würden wir hineinschneiden.

Sie sind noch ziemlich jung in der Politik und haben immer für alles gleich eine Lösung. Sie sind so gut oder zu wenig demütig?

STROLZ: Da habe ich ein anderes Selbstbild. Wir haben oft gesagt, wir haben die Lösung nicht. Es gibt auch nicht immer ein Patentrezept. Aber wir suchen danach. Es gibt ganz viele Fragen, auf die ich auch keine Antwort habe.

Zum Beispiel?

STROLZ: Beim Thema Pflege zum Beispiel. Da haben wir noch keine Antwort, aber auch da ist eine Arbeitsgruppe unterwegs. Ich will dabei einfach ehrlich sein.

Wo wollen Sie bei den programmmäßig nächsten Bundeswahlen 2018 mit den Neos sein?

STROLZ: Wir wollen gestalten, mitregieren, daher zweistellig werden. Nur mit der FPÖ wird es nicht gehen. Ich will insgesamt einen neuen Parlamentarismus. Deshalb wollen wir ein Neuwahlverbot wie in Norwegen, dort wechseln in der Periode einfach die Mehrheiten und regieren.