Wie wollen wir sterben? Wie viel Selbstbestimmung wird Menschen am Lebensende zugestanden? Und was ist überhaupt ein würdevolles Sterben? Schließt es mit ein, sich auf Wunsch bei unheilbarer Krankheit töten lassen zu können, wie es in Holland oder Belgien der Fall ist?

Fragen, die jede Gesellschaft an ihre Grenzen führen. SPÖ und ÖVP werden sich nun öffentlich diesen Fragen stellen. In den Regierungsverhandlungen waren sich Seniorenbundobmann Andreas Khol (VP) und Hans Niessl (SP) einig. Das bestehende Verbot der Tötung auf Verlangen mit einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren sollte zusätzlich in der Verfassung verankert und damit besser abgesichert sein, da damit künftig für eine Änderung eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig wäre. Für Khol eine "Bestandsgarantie" für den Schutz des Lebens. Eine Enquete, auf die sich SPÖ und ÖVP in ihren Verhandlungen ebenfalls geeinigt haben, soll alle Fragen rund um eine verbesserte Palliativmedizin und Sterbehilfe beleuchten.

So sehr sich Niessl und Khol einig gewesen sind, so klar formiert sich der Widerstand gegen eine Absicherung des Verbotes der aktiven Sterbehilfe. Der Justizsprecher der SPÖ, Hannes Jarolim, stellt sich massiv gegen die Verankerung in der Verfassung und verweist auf Menschen, die trotz bester Schmerzbehandlung nicht mehr leben wollen. "Wir müssen schauen, ob die derzeitige Regelung im Sinne der Menschen ist oder optimiert werden muss. Wir können uns dieser Thematik nicht stellen, indem wir sagen: Hauen wir es in die Verfassung und dann brauchen wir nicht mehr darüber reden."

Das klingt zweifelsohne weniger nach einer Verteidigungsrede für das Verbot der aktiven Sterbehilfe als viel mehr nach einem offenen Dialog über neue Selbstbestimmungsrechte am Lebensende. Über Rechte, die weit über die bereits bestehende Möglichkeit der Patientenverfügungen hinausgehen könnten.

Unterstützung erhält Jarolim von der Gesundheitssprecherin der Grünen, Eva Mückstein, die eine Absicherung des Verbots in der Verfassung überhaupt als "gesellschaftlichen Rückschritt" wertet. Zunächst müsste ein "ergebnisoffener Diskurs" über Selbstbestimmungsrechte geführt werden. Immerhin wäre es möglich, wirft Mückstein ein, dass das Verbot der aktiven Sterbehilfe im Widerspruch zu Grundrechten stehe.

Begleittöne, die beim VP-Seniorenchef Alarmglocken auslösen. Da gehe es, meint Khol, nicht mehr um die Beibehaltung des Status quo, da gehe es um die "Veränderung des Status quo in die andere Richtung". "Dieser Katze", sagt Khol, "muss man die Schelle umhängen."

Extremfälle

Was da zu erwarten ist? Das Ausspielen von Extremfällen, von denen es zahlreiche gibt. Die Missionare für das selbstbestimmte Sterben werden fragen, ob es nicht ein schlichtes Gebot der Menschlichkeit ist, dem Willen aussichtslos kranker Menschen zu entsprechen. Sie werden auf Fälle verweisen, bei denen auch stärkste Medikamente nicht helfen, um Schmerzen einzudämmen. Sie werden sagen, dass sich diese Menschen bessere Alternativen als U-Bahn oder Strick wünschen.

Die Gegner der Freigabe der Tötung auf Verlangen werden wiederum auf die Möglichkeit der Patientenverfügungen verweisen, die die Angst vor ungewolltem Siechtum ohnehin nehmen können. Oder sie werden wie Khol warnend rufen: "Wir wollen Menschen nicht der Tötung freigeben und niemals alte Menschen dem Druck aussetzen, unterschreiben zu müssen, dass sie sterben wollen." Bestärkt fühlt sich Khol von den Erfahrungen in Holland und Belgien. Das Ansteigen der Fälle durch Tötung auf Verlangen sei, meint Khol, niederschmetternd.

Medizinethiker wie Ulrich Körtner werden sich klar gegen jede Lockerung des Verbots aussprechen, aber auch vor einer neuen Verunsicherung der Ärzte warnen, wenn das Verbot in der Verfassung verankert würde. Ärzte seien, sagt Körtner, heute bereits oft aufgrund von Interpretationskonflikten bei Patientenverfügungen verunsichert.

Einigkeit

Natürlich werden sich bei dieser Enquete aber alle Parteien in einem Punkt einig sein: dass ein Sterben in Würde und eine verbesserte Palliativmedizin garantiert sein müssen. Es werden sich aber die Geister darüber scheiden, ob Extremfälle neue Gesetze für eine Tötung auf Wunsch je rechtfertigen können.

Ein Ethiker kommentierte diese Frage einmal kurz mit einem englischen Sprichwort: Hard cases make bad law. (Schwere Fälle führen zu schlechten Gesetzen.)