Zunächst dachte die Bürgermeisterin von Gratwein Straßengel, ein Lockvogel der bekannten Fernsehsendung „Mit versteckter Kamera“ oder der berühmte Ö3 Callboy Gernot Kulis wären am anderen Ende der Leitung, um wieder einmal einen Scherzanruf mit verstellter Stimme zu tätigen. Auch im Pfarramt der Wallfahrtskirche, im Meldeamt, in der Volksschule wollte man es nicht so recht glauben, als der Autor dieser Zeilen offenbarte, dass die Schwiegermutter des neuen und alten US Präsidenten Donald Trump, also die Mutter von Melania Trump, eine gebürtige Steirerin aus Judendorf-Straßengel war.

In Judendorf geboren, in Straßengel getauft

Zu Jahresbeginn hatte die New York Times in einem großen Nachruf auf Melanias Mutter Amalija Knavs, die nach langer Krankheit in Trumps Domizil Mar-a-Lago verstarb, ihren Geburtsort einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gegeben. Am 9. Juli 1945 kam Amalija Ulcnik in Judendorf-Straßengel zur Welt, wenige Tage später wurde sie in der berühmten Wallfahrtskirche getauft. 1966 heiratete sie in ihrer slowenischen Heimat Viktor Knaus, 1970 kam ihre Tochter Melania zur Welt. Das Begräbnis der gebürtigen Steirerin am 18. Jänner wurde live auf CNN übertragen. 

Nur Melania könnte in Gratwein Einblick nehmen

Tatsächlich finden sich heute im Gratweiner Melderegister, in den Taufmatriken, im Schularchiv die entsprechenden Unterlagen, allerdings sind diese, so die allgemeinen Archiv-Regeln, für Dritte, also auch für Journalisten und Historiker, für Jahrzehnte gesperrt. Nur Melania Trump, ihre Schwester Ines sowie Donald Trumps Sohn Baron könnten im Gemeindeamt Einblick nehmen, für eine Kopie müssten sie 9,20  Euro hinblättern.

Multiple Vertreibungen nach Nazi-Überfall

Dass sich Melanias Großeltern mütterlicherseits, Anton und Amalija Ulcnik, nördlich von Graz für vier Jahre niedergelassen haben, ist auf Hitlers Überfall auf Jugoslawien 1941 und der grausamen völkischen Logik des Nazi-Regimes zurückzuführen. 1942 mussten die Ulcniks und ihre drei Kinder aus ihrer slowenischen Heimatgemeinde Raka flüchten, weil die Nazis die deutschsprachigen Gottscheer entlang der einst untersteirischen Save ansiedeln wollten. Die Gottscheer wiederum mussten wegen Mussolini ihre Heimat südlich von Laibach verlassen. Stefan Karner geht auf die multiplen Vertreibungen in seinem Standardwerk „Die Steiermark im Dritten Reich“ genau ein. 

Am Dachboden fündig geworden

Anton Ulcnik war Schumacher, er hatte zuvor bereits Verbindungen zur Schuhfabrik in Judendorf-Straßengel, deshalb fiel die Wahl auf die kleine Gemeinde nördlich von Graz. 1942 bestiegen Anton Ulcnik und seine Ehefrau mit ihren drei Kindern den Zug und ließen sich in Judendorf 36 nieder. Die Mutter arbeitete als Näherin, die Kinder Anton, Stanislaus und Ida gingen in die Volksschule in Judendorf. Dort wurden sie mit dem germanisierten Nachnamen Ultschnik eingeschrieben. Eine Mitarbeiterin von Schuldirektorin Brigitta Koopmans fand dieser Tage Klassenbücher mit entsprechenden Eintragungen am Dachboden. Zwei Monate nach Kriegsende kam Donald Trumps Schwiegermutter, Amalija, in Judendorf zur Welt, sie erhielt denselben Nachnamen wie ihre Mutter. Auch Olga, eine weitere Tochter wurde hier geboren, am 8. April 1946 kehrte die siebenköpfige Familie nach Raka im damaligen Jugoslawien zurück, das Elternhaus stand noch, war allerdings geplündert.

„Ich bin davon völlig überrascht“

„Ich bin völlig überrascht, dass die Mutter von Melania Trump steirische Wurzeln hat und noch dazu aus dieser Gemeinde stammt. Damit habe ich wirklich nicht gerechnet“, erklärt Bürgermeisterin Doris Dirnberger verblüfft. „Es ist spannend, wie klein die Welt ist.“ Auf die Frage, ob sie die Trumps nach Gratwein einladen werde, zögert die SPÖ-Politikerin, nur so viel lässt sie sich entlocken: „Ich finde Melania Trump durchaus imponierend, weil sie ihren eigenen Weg geht und sich aus der Agenda ihres Mannes herausnimmt.“

Arbeitete als Designerin in Kinderkleiderfabrik

Amalija, die gebürtige Steirerin, die im Alter von neun Monaten ihren Geburtsort verließ, arbeitete dann als Designerin in einer slowenischen Fabrik für Kinderkleidung, sie dürfte ihrer Tochter Melania das Gespür fürs Modische weitergegeben haben. 1995 ging die spätere First Lady als Modell nach New York, 2005 heiratete sie Trump. Ihre Eltern übersiedelten 2017 von Slowenien in die USA und nahmen 2018 die US-Staatsbürgerschaft an. 

Apropos, wie klein die Welt ist: Das Haus, in dem Amalija 1945 zur Welt kam, gehört heute einer Stuttgarterin mit slowenischen Wurzeln. In jungen Jahren modelte sie auch in Laibach und betreibt heute ein Kosmetik-Institut. Die damalige Melania Knavs lernte sie nie kennen.

„Ich finde Melania Trump durchaus imponiert, weil sie ihren eigenen Weg geht“: Gratweins Bürgermeisterin Doris Dirnberger
„Ich finde Melania Trump durchaus imponiert, weil sie ihren eigenen Weg geht“: Gratweins Bürgermeisterin Doris Dirnberger © Klz/nadja Fuchs