Im Nu war die Bühne des Salzburger Landestheaters umgebaut: Auf die Aufführung der Spitzenkandidaten folgte vor Publikum die Premierenkritik. Unter der Moderation von Kleine-Chefredakteur Hubert Patterer analysierten Andreas Koller (Salzburger Nachrichten), Christina Traar (Kleine), Sigrid Brandstätter (Oberösterreichische Nachrichten), Christian Rainer (Vorarlberger Nachrichten), Elisabeth Hofer (Die Presse) und Matthias Krapf (Tiroler Tageszeitung). Im Fokus der Nachlese stand der Kanzler-Dreikampf zwischen Karl Nehammer (ÖVP), Herbert Kickl (FPÖ) sowie Andreas Babler (SPÖ).

Scharf ins Visier genommen wurde gleich zu Beginn das Selbstlob des Amtsinhabers, als es um die schwierige wirtschaftliche Lage der Republik und die ÖVP-Pläne für deren Behebung ging. Nehammers Schilderungen erinnerten Christian Rainer „an Salzburger Nockerln, die in sich zusammenfallen, wenn jemand mit Expertise in sie hineinsticht“. Zwar sei richtig, dass es dem Land besser gehe, als es manche darstellten, doch der Verlust an Wettbewerbsfähigkeit sei „ärgerlich“. Christina Traar vermisste die einigende Kraft akzeptierter Fakten: Nicht einmal die wirtschaftliche Verfassung des Landes könne außer Streit gestellt werden. „Die ÖVP hat eine gewisse Meisterschaft entwickelt, so zu tun, als wäre sie nicht seit 37 Jahren in der Regierung“, packte dagegen Matthias Krapf seine Kritik in ein giftiges Kompliment.

„Babler redet wie ein SJ-Vorsitzender“

Konnte SPÖ-Chef Babler, dem derzeit nur Platz drei prognostiziert wird, punkten? Nicht wirklich, so Traar. Das auf Nehammer und Kickl zugespitzte Duell lasse für einen Dritten wenig Platz. Zudem hingen die Affären um den zurückgetretenen Linzer Bürgermeister und die öffentlich gewordene interne Kritik am SPÖ-Wahlprogramm wie „Mühlsteine um Bablers Hals“, so Brandstätter.

Bablers oft pathetische Rhetorik erinnerte Rainer mehr an einen „Vorsitzenden der Sozialistischen Jugend“ und weniger an einen SPÖ-Vorsitzenden oder Bürgermeister. Auch für Andreas Koller gelingt es Babler nicht, seinen zu engen ideologischen Korridor zu verlassen, um breitere Wählerschichten anzusprechen. Die Folge sei, dass „viele hochrangige SPÖ-Funktionäre lieber die Wahl verlieren, als diese mit Babler zu gewinnen“. Und auch der mächtigen Wiener SPÖ könnte im Zweifel lieber sein, für alles Unangenehme einen schwarzen statt einen roten Kanzler verantwortlich zu machen. Die Bundeshauptstadt wählt spätestens im Herbst 2025.

Alle Augen auf Van der Bellen

Und wie schlug sich FPÖ-Spitzenkandidat? „Herbert Kickl war heute sehr staatsmännisch und für seine Verhältnisse sehr zurückhaltend“, stellte Kleine-Redakteurin Traar fest. Auch auf Angriffe gegen Journalisten habe er dieses Mal verzichtet. Daran, dass die FPÖ dennoch mit ihren Ideen für mehr direkte Demokratie das Parlament aushebeln wolle, erinnerte sodann Brandstätter.

Wie aber könnte es nun nach der Wahl weitergehen? Zwar habe sich in der Debatte der Spitzenkandidaten durchaus Spuren von Freundlichkeiten und Humor gezeigt, doch viel Optimismus habe sie nicht entdeckt, stellte Elisabeth Hofer fest. Entsprechend kam die Rede auf die Rolle des Bundespräsidenten: Koller glaubt nicht, dass Alexander Van der Bellen Kickl als Kanzler angeloben werde, schlicht, weil er diesen 2019 als Innenminister entlassen hat. Er rechnet mit Versuchen, um die FPÖ herum eine Regierung zu bilden – möglicherweise mit zeitnahen Neuwahlen als Folge, sollten diese scheitern. Rainer hält ungeachtet dessen eine Zusammenarbeit von ÖVP, SPÖ und Neos für am wahrscheinlichsten, wobei sich Babler dafür aufgrund „seiner neomarxistischen Zukunftserzählung“ als größte Hürde erweisen könnte.

So weit wollte Krapf noch nicht blicken: „Warten wir einmal die Wahl ab“, empfahl er. Bei dieser komme es nicht nur auf Platz eins an, sondern auch auf die Abstände zwischen den großen Parteien. Und: „Sollte Kickl tatsächlich eine handlungswillige Mehrheit im Parlament finden, muss auch der Bundespräsident sehr gut erklären, warum er ihn nicht angeloben will.“