Die Arbeiterkammer hat für die kommende Bundesregierung einen umfassenden Forderungskatalog erarbeitet. Darin enthalten ist auch der Wunsch nach einer Arbeitszeitreduktion, der aber im Gegensatz zur Vier-Tage-Woche der SPÖ unspezifisch bleibt. Generell wünscht sich Präsidentin Renate Anderl, dass die nächste Regierung mehr auf die Arbeiterkammer hört als die jetzige.
Anderl konstatierte, dass in der vergangenen Legislaturperiode der Druck auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeiternehmer zugenommen habe. Im Vorjahr hätten diese insgesamt 180 Millionen Mehr- und Überstunden geleistet, von denen 46,6 Millionen nicht vergütet worden seien. Laut AK-Berechnungen seien den Beschäftigten dadurch 1,3 Milliarden Euro an Lohn vorenthalten worden, der Staat fiel um 600 Millionen Steuern und Sozialabgaben um.
Pensions-Problem in systemrelevanten Berufen
Säumig sei die türkis-grüne Bundesregierung auch gewesen, eine Reform der Arbeitslosenversicherung sowie eine Fachkräftestrategie zu erarbeiten. Beides waren erklärte Ziele, eine Einigung konnte zwischen ÖVP und Grünen aber nicht erzielt werden. Eine Fachkräftestrategie mahnt Anderl nun von der nächsten Regierung ein. Laut einer Wifo-Studie würden von 1,5 Millionen Beschäftigten in systemrelevanten Berufen in den kommenden fünf bis zehn Jahren 300.000 in Pension gehen.
Ein zentraler Wunsch der AK ist die Reduktion der Arbeitszeit. Die Forderung unterscheidet sich von der Vier-Tage-Woche der SPÖ insofern, als im Papier nur von einer „gesunden Vollzeit“ die Rede. Konkretisiert oder mit einer Stundenzahl versehen wurde der Wunsch nicht. Inkludiert sind dabei aber auch Maßnahmen gegen das wachsende Problem im Sommer von Hitze am Arbeitsplatz.
Nachdrücklich verlangt die Arbeiterkammer Reformen im Bildungsbereich, die sich bis in den Bereich der Fachkräfte-Ausbildung zieht, wo ein Rechtsanspruch auf Qualifizierung samt Qualifizierungsgeld für maximal drei Jahre gefordert wird. Die Bildungsoffensive soll aber weit früher beginnen, nämlich in der Elementarpädagogik. Die AK will ein zweites kostenloses Kindergartenjahr und eine Erweiterung der Öffnungszeiten – auch um ungenütztes Arbeitskräftepotenzial zu aktiveren.
Der Ausbau der Ganztagsschule ist eine Uralt-Forderung, die sich erneut im Pflichtenheft für die nächste Regierung findet. Dazu hatten die Sozialpartner schon vor mehr als zehn Jahren ein gemeinsames Papier erarbeitet, das damals auch vorbereitende Schritte in Richtung Gesamtschule enthielt. „Unser Schulsystem sollte das Fortschrittlichste sein, ist aber das Rückständigste“, sagt AK-Direktorin Silvia Hruška-Frank. „Wir lassen hier viele Talente liegen“. 40 Prozent könnten nach Ende der Schulpflicht nicht sinnerfassend lesen, so Hruška-Frank. „Es gibt kaum noch Berufe, wo man damit noch durchkommt.“
Eine Milliarde Euro pro Jahr mehr für Gemeinden
Die Arbeiterkammer will von der nächsten Regierung auch mehr Investitionen in die Dekarbonisierung. Das betrifft zum einen den Ausbau der Bahn, zum anderen aber auch die Gemeinden. Das aktuelle kommunale Investitionspaket der Regierung müsse von einer auf zwei Milliarden Euro pro Jahr aufgestockt werden, um die Klimawende in den Gemeinden auf den Boden bringen zu können. „Man muss mutig sein und die Klimakrise in den Mittelpunkt stellen“, sagt Tobias Schweitzer, Bereichsleiter Wirtschaft der Arbeiterkammer.
Im Forderungskatalog findet sich auch der Ruf nach einem „neuen Zuwanderungsmodell“, da in einigen Berufsfeldern mit einem großen Bedarf an Arbeitskräften zu rechnen sein werde. Asylwerber sollten nach einem Jahr auch ohne Arbeitsmarktprüfung Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten und das 2017 geschaffene, aber unter Türkis-Blau dann finanziell nicht mehr gestützte „Integrationsjahr“ wiederbelebt werden. Die AK fordert auch kleine Erleichterung beim Staatsbürgerschaftserwerb, wie geringere finanzielle Hürden.