Die Neos haben genug von der Oppositionsbank. Bei ihrer Mitgliederversammlung heute in Wien bestellte die Partei ihre Spitze und schwor sich auf den bevorstehenden Nationalratswahlkampf ein, der die Pinken erstmals in eine Regierung befördern soll. Beate Meinl-Reisinger ist dabei mit 91 Prozent als NEOS-Parteichefin wiedergewählt worden. Eine Gegenkandidatur gab es bei der Kür des Parteivorsitzes, der statutenmäßig alle drei Jahre gewählt werden muss, in der Meinl-Rösthalle in Wien-Ottakring nicht. 2021 hatte die 46-Jährige 92,9 Prozent der Delegiertenstimmen erhalten. „Ich habe so viel Lust, so viel Energie für die nächsten Monate“, schwor die neugewählte Parteichefin die Partei auf den Nationalratswahlkampf ein.

Zur Spitzenkandidatin für die Nationalratswahl war Meinl-Reisinger bereits am 20. April bei einer Mitgliederversammlung in Graz mit 93,4 Prozent gekürt worden, die Rede nach ihrer Wiederwahl in Wien nutzte die Parteichefin, um die Pinken für die Wahl am 29. September zu motivieren. Man werde sich jedenfalls nicht einfach nur damit zufrieden geben, kleiner Juniorpartner zu sein. „Dafür hätten wir uns nicht gründen müssen“.

Kritik an politischer Konkurrenz

Sie sparte in ihrer Rede auch nicht mit Kritik an der politischen Konkurrenz. Rote Linie sei bekanntermaßen die FPÖ - „die Öxit-Zündler“ - diese sei aber nicht die einzige. „Eine rote Linie ist für uns auch noch mehr Steuern einzuführen“. Damit richtete sie sich vor allem an die Sozialdemokraten, die eben „immer nur mehr Steuern wollen“.

Kein Lob gab es erwartungsgemäß auch für die Regierungsparteien. „Das ist das schlechteste zweier Welten“, so Meinl-Reisinger. Der einzige Grund, weshalb die schwarz-grüne Regierung noch bestehe, sei, „damit sie Posten besetzen, damit sie ihre Schäfchen ins Trockene bringen können“. Gerade die „Leistungsfeindlichkeit“ sei ein großes Problem, dass die Regierung nicht gelöst habe, widmete sich Meinl-Reisinger einem pinken Kernthema, niedrigeren Steuern. Da wolle sie „auch der Gewerkschaft ins Gewissen reden. Es nutzt nichts den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen zu sagen, wir haben eh für euch gekämpft, wenn die dann über 40 Prozent Steuern zahlen müssen.“

„Zurückgefahren“ werden solle die Parteienförderung, „und durch eine echte Medienförderung ersetzt werden“. Hätten sich die Neos vor über zehn Jahren nicht gegründet, würde Meinl-Reisinger es heute tun, rief sie den Parteimitgliedern zu: „Ohne uns wird sich nichts ändern, Österreich braucht Neos mehr denn je.“

Wiederkehr und Gamon als Stellvertreter bestätigt

Als Meinl-Reisingers Stellvertreter gewählt wurden der Wiener Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr mit 88 Prozent und die Vorarlbergerin Claudia Gamon mit 79 Prozent. Als Finanzreferent wurde Markus Hofer gewählt, sein Stellvertreter ist Sepp Schellhorn, beide hatten keine Gegenkandidaten. Komplettiert wird der Vorstand durch den Nationalratsabgeordneten Yannick Shetty und entweder Sophie Wotschke oder Arlette Zakarian, die sich nach einer kurzen Mittagspause einer Stichwahl stellen müssen. Im ersten Wahlgang um den Platz im Vorstand ausgeschieden ist Stephan Mittelbach. Ebenfalls gewählt wird heute noch der erweiterte Vorstand.

Nicht um jeden Preis

Bald zwölf Jahre nach ihrer Gründung soll der Partei nun gelingen, was ihr bisher verwehrt blieb: der Sprung in die Bundesregierung. Die Hoffnung in den pinken Reihen ist groß, wittert man nach einigen Wahlschlappen in den Landeshauptstädten und einem Stimmenzugewinn bei der EU-Wahl doch Morgenluft. Die Zuversicht hat freilich auch andere Gründe. Einerseits macht das von ÖVP-Seite gebetsmühlenartig wiederholte Nein zu einer erneuten Koalition mit der FPÖ eine Dreierkoalition wahrscheinlicher. Und andererseits erfreut sich der Hauptkonkurrent der Neos für eine solche, die Grünen, aktuell alles andere als großer Beliebtheit, vor allem bei der ÖVP. Der Alleingang von Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) beim EU-Renaturierungsgesetz hat dort viel verbrannte Erde hinterlassen.

Auch Parteichefin Meinl-Reisinger scheint zuversichtlich und träumt bereits vom Finanzministerium. In einem Interview mit der Austria Presse Agentur erklärte sie kürzlich, dass ihre Partei diese undankbare Aufgabe übernehmen wolle, um das marode Budget zu sanieren. Dort würde man wohl „eine Ausgabenbremse“ anziehen. Gerüchte, dass ÖVP und SPÖ im Hintergrund über ein Abtreten des Bildungsministeriums an die Neos beraten, die in aktuellen Umfragen bei zwischen neun und zehn Prozent gehandelt werden, will man in der Partei nicht hören. Um jeden Preis wolle man ohnehin nicht mitregieren, abspeisen lassen werde man sich nicht, wird dort versichert.