Die Schule ist aus, die Ferien sind endlich da. Doch das gilt nicht für alle in diesem Land. Schließlich kann es sich kein Spitzenpolitiker erlauben, in den letzten Sommermonaten vor der wichtigsten Wahl in irgendeiner Bucht zu liegen. Es sei denn, er will nach dem 29. September schnellstens wieder dorthin zurück.

Dabei gebietet der Hausverstand Vorsicht bei hochsommerlichen Anbandelungsversuche mit dem Wahlvolk. Schließlich sind die Beliebtheitswerte der Spitzenpolitiker nicht so, dass sie jenseits ihrer engeren Anhängerschaft allzeit willkommen wären. Es sind harte Zeiten, für die Politik wie die Wähler. Aber der Wahlkampf verlangt von allen Opfer.

Für die ÖVP und Bundeskanzler Karl Nehammer geht es darum, den – angesichts eines Minus von 10 Prozentpunkten maximal relativen – Erfolg bei der EU-Wahl als Mutinjektion weiterzutragen: Mit Platz zwei und nur 0,9 Prozentpunkte Rückstand auf die FPÖ lebt die Chance, auch nach der Nationalratswahl im Kanzleramt residieren zu können.

Also tourt der ÖVP-Obmann noch bis zur dritten Juli-Woche durch das Land, um bei 20 Regionalkonferenzen mit Funktionären und Bürgermeistern seinen Österreichplan als Blaupause für das türkise Wahlprogramm zu diskutieren. Anschließend sollen Verteilaktionen für hochsommerliche Präsenz sorgen, während sich der Chef ein paar Tage Urlaub mit der Familie gönnt. In der zweiten Augusthälfte wird es schließlich langsam ernst mit dem echten Wahlkampf.

Rote Hoffnungen in alten Hochburgen

Die Strategie von Andreas Babler zielt darauf, die SPÖ als Mitmachpartei aus dem Tief zu führen. 14.000 neue Mitglieder verzeichnete die Partei im Vorfeld der turbulenten Mitgliederbefragung über den roten Chefsessel 2023. Jetzt sollen sie helfen, die SPÖ zumindest auf Platz zwei zu hieven. Schulungen für Hausbesuche oder Telefonkontakte gab es bereits. Im Juli werden Gimmicks vor Bädern verteilt, ab August startet Bablers „Mit Herz und Hirn“-Tour durch jene Regionen, wo sich die SPÖ Chance auf Stimmengewinne ausrechnet – unter anderem in der Mur-/Mürzfurche. Ein, zwei Wochen Urlaub sollten sich auch ausgehen: Vorarlberg, woher Bablers Frau Karin stammt, ist fix, ein paar Tage in Italien noch in Schwebe.

FPÖ-Spitzenkandidat Herbert Kickl ist bereits ein Tour-Profi: Die Neustart-, Freiheits-, Heimat- sowie die „Mit Euch gegen das System“-Tour hat er schon hinter sich. Für die Sommerrunde durch das Land werden die Messer- und Scherenschleifer von einer Schneiderin ersetzt, die vor Ort für kleinere Reparaturen und Änderungen zur Verfügung steht. Warum? Weil es laut FPÖ „Herbert Kickl besonders wichtig ist, Nachhaltigkeit und Handwerk zu leben und nicht nur darüber zu reden“.

Zu Erholungszwecken zieht es den Gottseibeiuns der Konkurrenz wie üblich in die Berge. Wo und wann sei allerdings noch offen. Und Zeit mit der Familie will der FPÖ-Chef freilich auch freihalten.

Bescheiden, patriotisch und ein bisschen Meer: Wie unsere Politiker dieses Jahr urlauben:

Eine Lawine an TV-Terminen

Ein Dilemma aller Wahlkämpfer spricht Kickl offen an: die Lawine an Sommergesprächen und TV-Duellen, die schon im Juli starten und dann vor allem den Kalender im September blockieren. Er werde sich nicht den ganzen September vom Wahlkampf mit den Menschen abhalten lassen, weshalb der FPÖ-Chef „mit Sicherheit“ nicht alle Medienanfragen annehmen will. Gut möglich, dass dies Nehammer und Babler als Ausrede handhaben, um es Kickl gleichzutun.

Wahlkampf mit eingestreuten Kulturstopps steht Grünen-Chef Werner Kogler bei seiner Rundreise bevor. Als Kulturminister gehören die zahlreichen Festspiele zum Pflichtprogramm. Eine erste Plakatwelle ist für die zweite Augusthälfte eingetaktet. Ende Juli stehen Frankreich und Italien als Urlaubsziele auf dem Programm, selbstredend per Eisenbahn, wie es der Kampf gegen den Klimawandel gebietet. Unterstützung erhält Kogler, der im Wahlkreis Graz-Umgebung um ein Direktmandat kämpft, von Umweltministerin Leonore Gewessler, Justizministerin Alma Zadic und Klubchefin Sigrid Maurer, der scheidende Sozialminister Johannes Rauch wird sich vor allem im Ländle-Wahlkampf engagieren, wo am 13. Oktober gewählt wird.

Die Neos arbeiten noch an den letzten Details für die Sommertour ihrer Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger. Dabei sollen die Themen, die von Türkis-Grün liegengelassen wurden, mit den Destinationen verknüpft werden. Entsprechend will man im industriestarken Oberösterreich über Wirtschaftsversäumnisse, in Ballungsräumen wie Wien über die unterlassene Integration und im ländlichen Niederösterreich über fehlende Kindergartenplätze reden. Die wenigen freien Tage will die Neos-Frontfrau im Juli im Ausseer Land verbringen.

Auf die Plätze, fertig, los!

P.S.: Für die Kleinparteien und Politik-Startups wie KPÖ, Bierpartei, Liste Petrovic und Wandel, die am 29. September antreten wollen, beginnt am Dienstag die Uhr für das Sammeln der insgesamt 2.600 Unterstützungserklärungen zu ticken. Die Frist endet am 2. August. Geschwindigkeit ist dabei Trumpf: Je früher diese Erklärungen beim Innenministerium einlangen, desto besser ist die Partei auf dem Stimmzettel gereiht.