Regieren macht müde. Das ist der Eindruck, den Klubobfrau Sigrid Maurer (Grüne) und vor allem der Klubobmann August Wöginger (ÖVP) bei der Plenarvorschau heute Morgen im Parlament machen. Die Stimmung zwischen den beiden ist trotzdem gut. Ihre Zusammenarbeit gilt seit Beginn der Legislaturperiode als durchgängig konstruktiv. Keine der zahlreichen Koalitionskrisen konnte die gute Chemie zwischen den Klubspitzen nach außen hin trüben.

Dieses Duo hält jeder Koalitionskrise stand | Klubobfrau Sigrid Maurer (Grüne) und Klubobmann August Wöginger (ÖVP)
Dieses Duo hält jeder Koalitionskrise stand
| Klubobfrau Sigrid Maurer (Grüne) und Klubobmann August Wöginger (ÖVP) © APA / Tobias Steinmaurer

„Wir lassen uns das Lächeln nicht nehmen“, sagt Wöginger angesprochen auf die Koalitionsstimmung nach dem Streit um die Renaturierungsverordnung. „Wir arbeiten seit Jahren gut zusammen. Insgesamt zählt, dass man sich immer wieder zusammenreden kann.“ Auch Maurer bemühte sich um einen freundlichen Auftritt.

Wenig später wechseln die beiden in den Plenarsaal des Nationalrats, wo heute ein langer Sitzungsmarathon startet. Bis Freitag sollen mehr als 60 Beschlüsse im Hohen Haus gefasst werden. Das Medieninteresse ist groß.

Von Fußball bis Klimaschutz

Neben der Politik ist auch die gestrige Niederlage des österreichischen Fußballteams gegen die Türkei Thema im Saal. Klubobfrau Maurer drückt als erste Rednerin großen Respekt für das Team aus, das den Applaus der Abgeordneten bekommt. Weniger Einigkeit herrscht freilich bei den politischen Inhalten.

Maurers Rede wechselt vom Fußball zum Klimaschutz. Sie spricht über die vergangenen heißen Tage und die Hochwasser im Süden des Landes. Das sorgt für permanente Zwischenrufe von FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch. Sie ortet eine „grüne Ideologie“ beim Aufzeigen von Hitzerekorden. „Ich finde das zynisch gegenüber Betroffenen der Hochwasser. Klimaschutz hat nichts mit Ideologie zu tun, sondern ist ein Gebot der Vernunft“, entgegnet Maurer.

Als sich Belakowitsch selbst am Podium zu Wort meldet, bezeichnet sie Maurers Rede als eine „Kabarettvorstellung.“ Für sie wäre die Ausweisung von Zugewanderten ein wichtiger Schritt für den Klimaschutz und nennt dabei auch den rechtsextremen Begriff „Remigration“ als Lösung. Dabei geht es um die Ausweisung von Menschen mit Migrationshintergrund, sogar wenn sie eine österreichische Staatsbürgerschaft erworben haben.

Hitzige Debatten zwischen Grünen und FPÖ sind im Parlament nichts Ungewöhnliches. Die politischen Erzfeinde nutzen den Schlagabtausch gerne, um ihr eigenes Profil für ihre Wählergruppen zu schärfen.

Offene grüne Kritik an ÖVP

Klimaschutz ist auch zwischen ÖVP und Grünen ein emotionales Thema. Im Nationalrat wird dieser Kampf zugunsten des Koalitionsfriedens eher selten ausgetragen. Die grünen Abgeordneten Lukas Hammer und Astrid Rössler machen daraus heute jedoch keinen Hehl: Sie kritisieren die ÖVP direkt für ihre Ablehnung der EU-Renaturierungsverordnung und für Bundeskanzler Karl Nehammers Aussagen zu dem Thema (er warnte bei seiner „Kanzlerrede“ von klimapolitischen „Apokalypse-Szenarien“).

Hannes Amesbauer | Sicherheitssprecher (FPÖ)
Hannes Amesbauer
| Sicherheitssprecher (FPÖ) © APA / Eva Manhart

Später eskaliert die Debatte während der Rede der ÖVP-Abgeordneten Christina Scharzenberger, die über Vorwürfe gegen den steirischen FPÖ-Landesparteichef Mario Kunasek spricht. Der blaue Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer ruft immer wieder dazwischen: „Passen Sie auf, was Sie sagen“. SPÖ-Frauensprecherin Eva-Maria Holzleitner meldet sich deswegen zu Wort und bittet den dritten Nationalratspräsidenten Norbert Hofer (FPÖ) dazu aufzurufen, dass „Drohungen niemals in Ordnung sind“. Dem stimmt auch der ÖVP-Klubobmann Wöginger zu: „Wir lassen uns so etwas nicht mehr gefallen.“ Hofer erklärt, er achte immer auf ein Gleichgewicht, „damit die Dinge nicht eskalieren“. „Das ist natürlich in Zeiten, wo bald ein Wahltermin ins Haus steht, eine besondere Herausforderung“, so Hofer.

Neos bringen Zement

NEOS-Klubchefin Beate Meinl-Reisinger wünscht zu Beginn ihrer Rede allen Schülerinnen und Lehrern erholsame Sommerferien, um im Anschluss zum Seitenhieb gegen Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) auszuholen: „Herr Minister, einen Urlaub sollten Sie sich aber nicht gönnen.“ Das Bildungssystem brauche dringend Reformen. „Die sind aber nicht möglich, weil es einen meterdicken Bildungsbeton gibt“, sagt Meinl-Reisinger. Im Anschluss holt sie einen kleinen Sack Schnellzement aus ihrer Tasche und legt ihn symbolisch auf die Regierungsbank, wo Polaschek sitzt.

Symbol für „Bildungsbeton“ | NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger legt einen Sack Schnellzement auf die Regierungsbank, wo Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) sitzt
Symbol für „Bildungsbeton“
| NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger legt einen Sack Schnellzement auf die Regierungsbank, wo Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) sitzt © Screenshot ORF ON

Die Parteien nutzen die große Bühne des Nationalrats, um sich bei ihren Kernthemen zu positionieren. Immer wieder weisen Abgeordnete auf die Wahl am 29. September hin, mit dem Hinweis, wen die Bevölkerung am besten wählen oder nicht wählen solle. Die Herzkammer der Demokratie wird – noch mehr als sonst – zu einer Wahlkampfbühne.