Einmal noch ganz oben stehen. Wenn Werner Kogler am Samstag beim Bundeskongress der Grünen in Wien zum Spitzenkandidaten für die Nationalratswahl gewählt wird, werden auch erste Weichen für die Zeit danach gestellt. Der Kür Werner Koglers wohnt auch ein Abschied inne. Vieles spricht dafür, dass es die letzte große Wahlschlacht für den 62-Jährigen sein wird. Nur wer folgt ihm nach?

Koglers Biografie ist einerseits Zeugnis für die politischen Tugenden des langen Atems und der Beharrlichkeit, steht andererseits aber genauso für die Schnelllebigkeit dieser Branche. Denn Kogler hatte im Alter von 20 Jahren die Alternative Liste Graz mitgegründet, doch in der Bundespolitik tauchte der Ökonom aus St. Johann in der Haide bei Hartberg erst 1999 auf, als er in den Nationalrat gewählt wurde.

Kogler war ein parlamentarischer Schwerstarbeiter, aber kein Mann der ersten Reihe – und schien auch nicht dorthin zu drängen. Doch wie schnell sich die Dinge ändern können, erlebten die Grünen 2017. Als die Wählerschaft die konturlos gewordene Oppositionspartei aus dem Parlament beförderte, übernahm der Steirer die Partei. Anders formuliert: Er blieb übrig.

Binnen zwei Jahren stellte Kogler die Grünen inhaltlich, personell und strategisch neu auf, führte sie ins Parlament zurück und erstmals in eine Bundesregierung. In der Person des Vizekanzlers verdichtet sich die ältere und jüngere Geschichte der Ökopartei. Dank seiner Verdienste darf sich Kogler auf dem Bundeskongress der Wiederwahl und der stehenden Ovationen sicher sein. Doch er wird wohl nicht den meisten Applaus ernten.

ÖVP-Landesräte boykottieren Gewessler

Hinter Kogler wird Leonore Gewessler, die 2019 als Quereinsteigerin von Global 2000 kam, auf Listenplatz zwei kandidieren. Nach ihrem Ja zum EU-Renaturierungsgesetz gegen den Willen der ÖVP ist anzunehmen, dass die Klimaschutzministerin zum Star des Bundeskongresses werden wird. Seit Tagen deckt sie der Koalitionspartner mit Anzeigen ein. Am Freitag zeigte sie auch der Bauernbund wegen Amtsmissbrauchs an. Ein Treffen der Energie-Landesreferenten mit Gewessler boykottierten die ÖVP-Landeräte.

Gewessler, die seit 2022 Vizeparteichefin ist, gilt als potenzielle Nachfolgerin Koglers. Diesbezügliche Ansagen sollte man aber nicht für Samstag erwarten. Seit Jahren zitiert Werner Kogler gerne Clint Eastwood: „Wir reiten in die Stadt. Der Rest ergibt sich.“ Es wäre keine Überraschung, wenn er auch bei der Neuordnung der Partei darauf zurückgreift, da viel davon abhängen wird, in welcher Situation sich die Grünen nach der Wahl befinden werden.

Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) wird am Samstag bejubelt werden.
Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) wird am Samstag bejubelt werden. © APA / Eva Manhart

Die Umfragen zeichnen zwar seit geraumer Zeit ein stabiles Bild der knappen Zweistelligkeit – kein großer Erfolg, aber auch kein Drama für die Partei. Wichtiger ist aber die künftige Rolle der Grünen. Eine erneute Regierungsbeteiligung ist nicht sehr wahrscheinlich, die Lust der ÖVP seit Gewesslers Solo noch geringer geworden. Die Frage ist: Hat die Umweltministerin nach fünf Jahren des Um- und Durchsetzens auch Interesse, fünf Jahre lang die Oppositionsbank zu drücken?

Auf dem Bundeskongress könnte aber eine Dynamik ihren Ausgang nehmen, wenn die Wahlergebnisse der einzelnen Kandidaten sehr unterschiedlich ausfallen sollten. Hinter Kogler und Gewessler bewerben sich auch Klubchefin Sigrid Maurer sowie die über die Landesliste nicht abgesicherte Generalsekretärin Olga Voglauer für einen Platz auf wählbarer Stelle.