Das Land Vorarlberg führt ab 1. Juni eine Kodex-Vereinbarung für Asylwerber ein. Das haben der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner und der zuständige Landesrat Christian Gantner (ÖVP) am Freitag bei einer Pressekonferenz bekannt gegeben. Ab diesem Zeitpunkt können Flüchtlinge diesen Kodex unterschreiben und verpflichten sich dadurch, an Deutsch- und Wertekursen teilzunehmen sowie einer gemeinnützigen Tätigkeit nachzugehen. Der Kodex wird allen neu in Vorarlberg ankommenden Asylwerbern vorgelegt, aber auch den rund 1750 Flüchtlingen, die sich bereits in der Grundversorgung des Landes befinden. Eine Verpflichtung zur Unterschrift gibt es freilich nicht. „Wir gehen stufenweise vor. Wenn es in einer Vielzahl von Fällen zu einer Verweigerung kommt oder sich Asylwerber nicht an den Kodex halten, werden wir eine zweite Stufe einleiten“, sagte Wallner. Das würde bedeuten, dass das Land das Sozialleistungsgesetz ändert und eine Sanktion festschreiben würde – konkret eine Kürzung des Taschengelds.
Die Gesetzesänderung sei vorbereitet und könnte innerhalb von wenigen Wochen umgesetzt werden, stellte Wallner fest. Die Einführung einer solchen Strafe soll aber jedenfalls nicht früher als in einem Jahr erfolgen. Wallner verhehlte nicht, dass man mit dem Regierungspartner – den Grünen – in Sachen Sanktionen unterschiedlicher Meinung sei. Den „Vorarlberg-Kodex“ in der vorliegenden Form würden die Grünen aber mittragen. „Ich bin sehr froh, dass wir Grünen uns bei der Frage der Sanktionsmöglichkeiten durchgesetzt haben und es zu keiner Taschengeldkürzung kommen wird“, sagte Grünen-Klubobfrau Eva Hammerer in einer Aussendung.
Laut Wallner und Gantner sei es ein Gebot der Stunde, „auf die Integration zu achten“. Es gelte, das Thema und die diesbezüglichen Sorgen der Bevölkerung ernst zu nehmen – Wallner zitierte eine Umfrage, laut der sich in Vorarlberg 80 Prozent der Bürger dafür aussprechen, dass Flüchtlinge eine Integrationsleistung zu erbringen haben. „Haarsträubende Entwicklungen“, wie es sie außerhalb von Österreich gebe, wolle man erst gar nicht entstehen lassen, unterstrich Wallner.
Ausweitung der Deutschkurse
Wallner betonte eine Kultur des Förderns und des Forderns, man fordere nicht nur von den Betroffenen, sondern weite auch die entsprechenden Angebote an Deutsch- und Wertekursen aus. Vorarlberg bietet bereits Deutschkurse für Personen in der Grundversorgung an, nun werde man eine Beinaheverdoppelung der angebotenen Stunden vornehmen, sagte Gantner. Das Bundesministerium für Inneres werde ab Juni Wertekurse für Asylwerbende durchführen, man werde in Vorarlberg nur noch Absolventen eines solchen Kurses übernehmen – in Vorarlberg wird für diese dann ein zweiter Wertekurs zu absolvieren sein, so Gantner.
Bei der Bereitstellung von gemeinnützigen Tätigkeiten wird die Caritas stark eingebunden. Erster Ansprechpartner sind etwa die Gemeinden (Wallner: „Wir werden aktiv auf sie zugehen“), aber auch Vereine und gemeinnützige Einrichtungen sollen mitwirken (können). Asylwerber dürfen monatlich bis zu 110 Euro dazuverdienen. „Wir wollen den Gemeinden ‚schlüsselfertige Produkte‘ anbieten“, sagte Gantner, der die Bekämpfung von eingeschleppten Pflanzenarten oder Schülerlotsen als mögliche Tätigkeitsfelder nannte. In Vorarlberg wird noch immer dem „Nachbarschaftshilfe“-Modell nachgetrauert, das 2016 vom Sozialministerium abgedreht wurde. Wallner und Gantner hofften, dass es wieder in diese Richtung gehen könnte.
Kritik von Opposition
„Man kann in Vorarlberg nicht gegen oder neben uns leben, sondern nur mit uns“, wiederholte der Landeshauptmann sein Credo. Mit Integration müsse am ersten Tag begonnen werden – nicht erst dann, wenn es einen positiven Asylbescheid gebe. Mit dem „Vorarlberg-Kodex“ gehe Vorarlberg voran und könne wie mit der Integrationsvereinbarung für Asylberechtigte Vorbild in ganz Österreich sein. Bernd Klisch von der Caritas Vorarlberg zeigte sich überzeugt, dass eine Einführung von Sanktionen nicht notwendig sein wird. „Bei der Ankunft stellen Asylwerber zwei Fragen: ‚Wo Deutschkurs?‘ und ‚Wann Arbeit?‘“, verwies er auf durchaus vorhandenen Arbeits- und Integrationswillen.
Andere Parteien übten Kritik an dem Vorhaben bzw. den handelnden Personen. Vorarlbergs SPÖ-Chef Mario Leiter sprach von einem „PR-Gag“, der wegen fehlender Rechtsgrundlage nicht umsetzbar sei. „Der Vorschlag der ÖVP ist enttäuschend und wird an der Situation nichts ändern“, so Leiter. Neos-Klubchef Johannes Gasser stellte die Frage, ob es der ÖVP um echte Integration oder um Schlagzeilen gehe. Wartezeiten von bis zu acht Monaten bei Deutschkursen zeigen, „wie ernst es die ÖVP bisher mit der Integration genommen hat“, sagte Gasser. Zu Wort meldete sich auch der Wiener FPÖ-Parteichef Dominik Nepp. Der Vorstoß der Vorarlberger ÖVP wäre in Wien ein weiteres zahnloses Instrument, meinte er. „Wir brauchen eine Nullzuwanderung und die Einstellung der Geldleistungen, damit wir das Zuwandererproblem mit all seinen Facetten endlich in den Griff bekommen“, so Nepp.
Ob diese Maßnahme mit Fokus auf den Wahlkampf in Vorarlberg beschlossen wurde, wollte Markus Wallner im Ö 1 Morgenjournal am 13. Mai nicht bestätigen. „Asyl und Migration sind Themen unserer Zeit, die Bevölkerung möchte Antworten“, so Wallner.