Nun sag, wie hast du es mit der FPÖ? Seit bald 40 Jahren verfolgt diese Gretchenfrage die Volkspartei. Die Antworten pendelten im Laufe dieser Zeit zwischen vereinnahmender Umarmung und kategorischer Ablehnung sowie allem, was sich dazwischen befindet.

Nicht, dass die ÖVP mit dieser Frage allein wäre, auch die SPÖ muss sich regelmäßig zu ihrem Umgang mit der FPÖ peinlich befragen lassen. Doch im Gegensatz zur Sozialdemokratie verstand es die Volkspartei über lange Jahre aus ihrer zur FPÖ hin offenen Haltung ein Asset zu machen: Eben weil sich die ÖVP eine Koalition mit der FPÖ als Option offenhielt, konnte sie zahlreiche Forderungen in Koalitionen mit der SPÖ auch als Juniorpartner durchsetzen.

Super-Wahljahr mit eigenen Regeln

Doch das Super-Wahljahr ist in dieser Hinsicht anders. Reinhold Lopatka, der EU-Spitzenkandidat der ÖVP, erklärte am Sonntag nicht zum ersten Mal, dass er eine Koalition mit den Freiheitlichen nicht nur für das EU-Parlament, sondern auch für den Bund ausschließe: „Ich halte es für unmöglich, mit dieser Führerpartei mittlerweile zusammenzuarbeiten“, sagte Lopatka in der ORF-„Pressestunde“. Dies gelte auch, wenn FP-Chef Herbert Kickl einen Schritt zur Seite machen sollte, denn: „Die FPÖ ist Kickl.“

Genau diesen Spagat versucht jedoch die Bundespartei bis zum Wahltag durchzuhalten. Parteichef und Bundeskanzler Karl Nehammer erneuerte erst ebenfalls am Sonntag via „Krone“ das Gelöbnis, keine Partei grundsätzlich, sondern allein Kickl auszuschließen. So halten es auch fast alle ÖVP-Spitzenpolitiker in Bund und Ländern. Nur eben der Steirer Lopatka nicht.

In der türkisen Bundespartei will man sich auf diesen Widerspruch erst gar nicht einlassen: Zwar sei eine FPÖ ohne Kickl derzeit nicht in Sicht, doch weil sich dies nach Wahlen auch schnell ändern könne, beharrt man hier darauf, die Tür zur FPÖ offen zu halten.

EU-Wahl kein Herzensanliegen für FP-Wähler

Eine Erklärung für den eigenständigen Kurs Lopatkas findet sich in der unterschiedlichen Natur von Europa- und Nationalratswahlen. Da wie dort droht der ÖVP ein steiler Absturz, doch die Wahlbeteiligung bei der EU-Wahl am 9. Juni wird markant unter jener der Nationalratswahl im Herbst liegen. Vor allem FPÖ-Anhänger werden in vier Wochen überproportional zu Hause bleiben, weil sie der EU kritisch bis gleichgültig gegenüberstehen. Und wer dort überlegt, seine Stimme der ÖVP zu geben, lehnt die pauschale blaue Brachialkritik an der EU eher ab. Dem will Lopatka eine konstruktiv EU-Kritik entgegensetzen.

Im Herbst geht es für die ÖVP darum, den Rückfluss jener Stimmen zur FPÖ in Grenzen zu halten, die 2019 noch für Sebastian Kurz votierten. Die gewinnt man nicht, indem man jede Zusammenarbeit mit ihrer alten neuen Heimat ausschließt.

Möglicherweise zerbricht sich die ÖVP aber auch ganz unnötig den Kopf über ihre Strategie gegenüber der FPÖ. Von einem „verzweifelten Rundumschlag“ Lopatkas, der „versuche, die Bürger für dumm zu verkaufen“, sprach jedenfalls FP-Spitzenkandidat Harald Vilimsky. Nimmt man die aktuellen Umfragen, kann es sein, dass keine der Strategien für die Volkspartei aufgeht. Laut „Kurier“ (1.007 Befragte, Schwankungsbreite 3,1 Prozent) liegt die FPÖ für die EU-Wahl stabil mit 26 Prozent vor ÖVP und SPÖ mit je 22 Prozent, Neos 14 und Grünen 13 Prozent.