Wir sind alle gerade ein bisschen geschockt“: So schilderte die Sprecherin von Europaministerin Karoline Edtstadler die Farbattacke auf die ÖVP-Politikerin. Die Tat erfolgte am Montagmorgen vor dem Eingang zur Akademie der Wissenschaften in der Wiener Innenstadt, wo gerade die Europäische Antisemitismus-Konferenz stattfand. Die Ministerin wie auch Oskar Deutsch, der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, der zeitnah vor Ort war, kamen mit dem Schrecken davon. Der Täter, selbst Jude und Aktivist, der zuvor bei der radikalen Klimaschutzorganisation „Letzte Generation“ engagiert war, habe laut eigener Auskunft gegen die „Normalisierung eines Völkermords“ und damit gegen das Vorgehen Israels im Gaza-Streifen protestieren wollen. Den Vorwurf des Antisemitismus wies er in einem persönlichen Statement auf Social Media zurück. Noch am Montag wurde der Täter wieder freigelassen und auf freiem Fuß angezeigt.
Es sind aufgewühlte Zeiten – und Politiker und Politikerinnen stehen längst nicht nur im Visier von Aktivisten, die für eine Schlagzeile zu ihren Anliegen auch vor Übergriffen und Gewalt nicht zurückschrecken. Erst am Freitagabend war ein deutscher SPD-Politiker beim Aufhängen von Wahlplakaten von vier jugendlichen Tätern angegriffen und schwer verletzt worden. Unmittelbar zuvor gab es Attacken gegen Grünen-Politiker und einen Wahlkampfstand der hart rechten AfD.
Die Stimmung ist aufgeladen
Die aufgeladene Stimmung und die Häufung solcher Attacken rückt das Thema Gewalt in der Politik und gegen Politiker in den Fokus. Einmal mehr, muss man dazu sagen. Der Terror gegen die Gesellschaft und ihre Repräsentanten ist auch bald 80 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg nicht besiegt – das gilt für Europa, aber eben auch für Österreich. Heute stellen radikale Islamisten und Rechtsextreme im Verbund mit einem wachsenden Antisemitismus die größte Gefahr dar, aber längst nicht die einzige, erläutert Sicherheitsexperte Nicolas Stockhammer. Doch auch von radikalen Anhängern der Coronaleugner, Reichsbürger- oder Klimaschutzszene könne Gefahr ausgehen.
Aus dem Innenministerium heißt es dazu, dass sich die Lage nach den aufgeheizten Jahren während der Pandemie, in denen es einen merkbaren Anstieg an Drohungen gegen bestimmte politisch und öffentlich exponierte Personen gab, darunter auch Wissenschaftler und Journalisten, derzeit eigentlich beruhigt habe. Doch das, so wird befürchtet, könnte nicht von Dauer sein. Dafür verantwortlich gemacht werden die geopolitischen Verwerfungen, allen voran die angespannte Lage nach dem Terrorangriff der Hamas und Israels harte Reaktion darauf. Für die Terrorabwehr und Beobachtung der einschlägigen Gruppen und Gefahrenherde ist die Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst zuständig.
Wer Personenschutz erhält
Auch bei der Gefahrenlage ist Differenzierung geboten. Zweifellos handelt es sich bei der Tat gegen Edtstadler um einen An- und Übergriff auf die Person. Für die Gefährdungseinschätzung der Behörden, so das Innenministerium, müsse aber dennoch zwischen Terroraktivitäten und Aktivismus unterschieden werden. Tatsächlich ist es ein Unterschied, ob man mit Farbe – oder mit einer Torte, wie es einst dem FPÖ-Politiker Hilmar Kabas widerfahren ist – beworfen wird, oder aber in einer Weise attackiert wird, die auch tödlich enden kann. Der damalige Wiener Bürgermeister Helmut Zilk (SPÖ) etwa wurde im Rahmen rechtsextremistischen Briefbombenserie in den 1990ern, bei der auch mehrere Personen starben, schwer verletzt.
Das war damals zweifellos eine Ausnahmesituation. Dauerhaften Personenschutz erhalten in Österreich funktionsbedingt nur drei Spitzenpolitiker: Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Bundeskanzler Karl Nehammer sowie Innenminister Gerhard Karner. Allerdings kann dieser im Falle einer konkreten Bedrohungslage auf alle möglichen Personen ausgeweitet werden. Darüber, wer derzeit aus welchen Gründen diesen Schutzstatus erhält, wird nicht kommuniziert.