Die Ermittlungen der Sonderkommission „Fama“ laufen seit Jahren. Doch erst seit der Festnahme des früheren Beamten Egisto Ott Ende März wird allmählich bekannt, wie im österreichischen Verfassungsschutz eine Spionagezelle für Russland entstanden sein dürfte. Wenige Wochen davor hatten internationale Recherchen zum flüchtigen Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek für Aufsehen gesorgt. Dieser soll sich seit der Pleite des deutschen Finanzdienstleisters in Russland aufhalten – und dürfte schon seit Jahren als Spion tätig gewesen sein. Beide Causen sind eng miteinander verknüpft.

Dossier: Die Personen in Österreichs Spionageskandal

Zur Erinnerung: Ott, früher Mitarbeiter im Ende 2021 aufgelösten Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), sitzt seit Ostern in U-Haft. Ihm wird vorgeworfen, Abfragen durchgeführt und vertrauliche Informationen nach Russland weitergeleitet zu haben. Bekannt wurde etwa ein Fall rund um die Diensthandys dreier Spitzenbeamter des Innenministeriums, die bei einem Bootsausflug ins Wasser gefallen waren. Die darauf gespeicherten Daten wurden nicht wie vorgesehen wiederhergestellt, sondern landeten in russischen Händen. Bei einer Hausdurchsuchung bei Ott wurden auch sogenannte SINA-Laptops gefunden, die Geheimdienste für eine sichere Datenübertragung nutzen.

Ott dürfte für BVT-Razzia mitverantwortlich sein

Ebenfalls Teil dieser vermuteten Spionagezelle im österreichischen Verfassungsschutz war der frühere Abteilungsleiter Martin Weiss, der Vorgesetzte Otts im BVT, der zudem enge Kontakte zu Marsalek gepflegt und diesem nach der Wirecard-Pleite zur Flucht verholfen haben soll. Marsalek selbst suchte Kontakte zur österreichischen Politik, bei der FPÖ, so der Verdacht, dürfte er auf offene Türen gestoßen sein. Er gilt als Strippenzieher hinter den Vorkommnissen.

Ein weiterer Handlungsstrang der Causa Ott ist die Hausdurchsuchung im BVT im Jahr 2018. Diese belastete das Vertrauen ausländischer Geheimdienste zum österreichischen Verfassungsschutz massiv, mittlerweile wurde das BVT durch die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) ersetzt. Maßgeblich zur Razzia dürfte ein möglicherweise von Ott und/oder Weiss verfasstes Konvolut mit teils falschen Anschuldigungen beigetragen haben.

Enger Kontakt zwischen Ott und Peterlik

Aber nicht nur das Innenministerium, in dessen Zuständigkeit der Verfassungsschutz fällt, sondern auch das Außenministerium taucht in den Ermittlungen zu der Spionagecausa auf. Am Mittwoch wurden Ermittlungsakten bekannt, die eine enge Zusammenarbeit zwischen Ott und dem ehemaligen Generalsekretär im Außenministerium, Johannes Peterlik, belegen. Den beiden wird vorgeworfen, am Aufbau eines „Schattengeheimdienstes“ gearbeitet zu haben, die Ermittlungen wurden allerdings eingestellt.

Zum Generalsekretär war Peterlik, der zuvor für ÖVP-Ministerinnen gearbeitet hatte, unter der ehemaligen FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl aufgestiegen. Auf ihrer Hochzeit im Sommer 2018 tanzte sie mit Wladimir Putin, mittlerweile lebt Kneissl in Russland und verbreitet Propaganda gegen den Westen.

Hitzige Debatte im Nationalrat

Insgesamt ist die Affäre vor allem für die FPÖ unangenehm. So wurden etwa Chatnachrichten zwischen Ott und dem früheren blauen Sicherheitssprecher und Fraktionsführer im BVT-U-Ausschuss Hans-Jörg Jenewein bekannt. Aber auch zu Politikern anderer Couleurs soll Ott gute Beziehungen gepflegt haben: Dazu zählt das grüne Urgestein Peter Pilz, mittlerweile Herausgeber des Onlinemediums „ZackZack“, der Informationen von Ott erhalten haben soll.

Die Spionage-Causa sorgte am Mittwoch auch im Nationalrat für hitzige Debatten. Der heutige FPÖ-Chef Herbert Kickl habe das BVT in seiner Zeit als Innenminister „zerstört“, „aber Verantwortung zu übernehmen, war noch nie Ihre Stärke“, wetterte etwa ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker und bezeichnete die FPÖ als „Russland-Trojaner“ in Österreich.

„Es ist unfassbar, wie Sie die Geschichte umschreiben und sich aus der Verantwortung ziehen wollen“, kritisierte Stephanie Krisper, Neos-Sprecherin für Inneres, wiederum die ÖVP. Immerhin habe die Volkspartei mit der FPÖ koaliert und Herbert Kickl zum Innenminister gemacht. Kickl selbst ortete dagegen eine „Anti-FPÖ-Kampagne des Systems“ und unterstellte den anderen Fraktionen „Fake News und Desinformation“.