Die Blechlawine auf der anderen Seite schimmert unter der 25 Grad warmen Sonne, als der österreichische Auto-Konvoi über die gesperrte Hauptstraße zum Präsidentenpalast im Stadtteil Heliopolis in Kairo braust. Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) war für wenige Stunden in die ägyptische Hauptstadt gekommen, um als Teil einer hochrangigen EU-Delegation einen 7,4 Milliarden Euro Deal mit dem krisengebeutelten Land zu unterzeichnen.

Nehammer, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni und ihre Amtskollegen Kyriakos Mitsotakis (Griechenland) und Alexander De Croo (Belgien) und der ägyptische Präsident Abdel Fattah Al-Sisi zeichnen wenig später hinter der blitzweißen Fassade des Palastes mit ihren Unterschriften das Vorhaben ab, das bis 2027 EU-Geld ins bevölkerungsstarke Ägypten spülen soll. Fünf Milliarden Euro an Darlehen will man dem nordafrikanischen Land gewähren, 1,8 Milliarden sollen für Investments winken. Eine deutlich kleinere Summe ist für den Migrationsbereich vorgesehen, 400 Millionen winken für bilaterale Projekte, 200 weitere für Grenzschutz, Versorgung und Co. „Die Sicherheit Europas ist maßgeblich von der Sicherheit unserer Nachbarn abhängig“, erklärte Nehammer. „Und Sicherheit ist keine Einbahnstraße.“

Österreich will Anstoß gegeben haben

Er hatte sich bereits im vergangenen April durch die staubigen Straßen der Stadt zu Präsident Al-Sisi aufgemacht und eine strategische Partnerschaft mit der EU ins Spiel gebracht. Von der Leyen habe man für die Idee ebenfalls gewinnen können, die Kommissionspräsidentin vertiefte im Jänner die Gespräche mit dem afrikanischen Staat. Dass nun unterschrieben wird, hatte Nehammer deshalb nicht ohne Stolz verkündet.

Die europäische Großzügigkeit hat freilich auch strategische Gründe. Das hoch verschuldete Ägypten gilt als Drehkreuz für Migration aus anderen afrikanischen Ländern Richtung Europa. Rund sechs Millionen Flüchtlinge leben im Land, Menschen aus dem Sudan und Syrien bilden die größte Gruppe. Zudem blickt man in der EU mit Sorge auf die ägyptische Grenze zum Gaza-Streifen, eine Öffnung würde sich laut Experten auch auf die Ankunftszahlen auf EU-Boden auswirken. Im Palast betont Al-Sisi, sich weiterhin für einen Waffenstillstand einsetzen zu wollen. Seine Gäste dankten es ihm in ihren Wortmeldungen.

Bilaterales Abkommen zur Rücknahmen in Aussicht

Doch auch Teile der eigenen Bevölkerung des wirtschaftlich gebeutelten Landes zieht es nach Europa. Auch in Österreich steigen die Asylanträge aus Ägypten seit 2021, im Vorjahr belegte das Land mit 1.224 Asylanträgen Platz neun der Herkunftsländer. Lediglich ein Prozent erhielt einen positiven Bescheid.

In der Vergangenheit hatte man sich in Kairo jedoch wenig kooperativ bei der Rücknahme von in Österreich abgelehnten Bürgern gezeigt. Weil keine Heimreisezertifikate ausgestellt werden, sind Abschiebungen nur selten möglich. Auch deshalb wird seit Längerem an einem bilateralen Rückführungsabkommen gearbeitet, das nach Abschluss des EU-Abkommens nun finalisiert werden soll.

Und wieder ein EU-Deal

Der neue Deal, auf dem die in Kairo gesetzten Unterschriften nun trocknen, reiht sich ein in eine Serie anderer EU-Abkommen. Im Sommer des Vorjahres wurde eine Absichtserklärung mit Tunesien unterzeichnet, bis zu 900 Millionen Euro sollten für ein Eindämmen illegaler Überfahrten fließen. Doch die Zahl der Ankommenden über das Mittelmeer sank nur langsam. Und auch mit Überweisungen nach Ägypten hat Brüssel Erfahrung. Im Oktober 2022 wurde zuletzt ein Migrationsabkommen vereinbart, seit Jahren fließen mehrere hundert Millionen Euro für Grenzschutz und Ausrüstung. Man wolle die Beziehungen dieses „strategischen Standortes in einer problembehafteten Nachbarschaft“ mit dem Abkommen nun auf eine neue Ebene heben, alle zwei Jahre sind nun gemeinsame Strategietreffen der Staatsspitzen geplant.

Im Gegenzug für seine hart gezogenen Grenzen will Al-Sisi aber nicht nur Geld, sondern auch wirtschaftliche Kooperation. Neben Unterstützung bei der künftigen Förderung von erneuerbarer Energie und grünem Wasserstoff sollen auch eigene Mobilitätsprogramme gefördert werden, um ägyptische Fachkräfte nach Europa zu bringen. Details zu Projekten und Bedingungen für die Gelder aus Brüssel gibt es jedoch noch nicht, diese werden nun ausverhandelt, heißt es noch, bevor sich die EU-Spitzen wieder Richtung Flughafen aufmachen.

Die Reise fand auf Teileinladung des Kanzleramts statt.