Sollte Reinhold Lopatka am Montag vom ÖVP-Vorstand als Spitzenkandidat für die EU-Wahl eingesetzt werden, wovon auszugehen ist, würde sich für den 62-jährigen Oststeirer ein Kreis schließen. Geprägt von der Teilung Europas, knüpfte er schon als Student Kontakte zu den Dissidenten hinter dem Eisernen Vorhang. Gemeinsam mit dem späteren ÖVP-Chef Erhard Busek nahm er an den ersten, noch geheimen Sitzungen der Solidarnosc in Polen teil. Knapp vor dem Kollaps des Ostblocks wanderte Lopatka 1989 in Rumänien hinter Gitter, 1990 saß er in Lettland fest. „Das freie Europa war mir immer ein Herzensanliegen“, sagte er einmal in einem Gespräch.

Ehe Lopatka bei der ÖVP andockte, absolvierte der Jus- und Theologiestudent ein paar Schnupperstunden bei den Grünen. 1980 war er Zaungast bei der Gründungsversammlung der legendären „Alternativen Liste Graz“, der nach Salzburg ersten grünen Listen. 1991 stieg er zum Landesgeschäftsführer der steirischen ÖVP auf. Nach dem Triumph von Waltraud Klasnic bei der Landtagswahl 2000 (plus elf Prozent) holte ihn der damalige Kanzler Wolfgang Schüssel als Wahlkampfmanager nach Wien. Die Nationalratswahl 2002 endete wiederum furios (plus 15 Prozent). Umso bitterer dann die Wahlniederlage 2006, die die ÖVP den Kanzlersessel kostete. Lopatka war dreimal Staatssekretär, für den Sport, im Außen- wie auch im Finanzministerium. Im Finanzministerium teilte er sich den Aufgabenbereich mit SPÖ-Staatssekretär Andreas Schieder, mit dem er schicksalhaft verbunden ist. 2013 bildeten beide das Scharnier als Klubobleute der Großen Koalition, nun laufen sie sich wieder über den Weg: Schieder ist SPÖ-Spitzenkandidat bei der EU-Wahl.

In den letzten Jahren wandte er sich im Nationalrat wieder der internationalen Politik zu, auch dank seiner jahrzehntelangen außenpolitischen Erfahrungen ist Lopatka in Europa bestens vernetzt . Zuletzt führte er eine mehr als 100-köpfige Delegation an, die für die OSZE, den Europarat und das EU-Parlament die Wahlen in Serbien beobachtete. Lopatka war in früheren Jahren Marathonläufer mit Bestzeiten unter drei Stunden. Nach 100 Marathons beendete er seine Karriere als Hobbyläufer.