Der Druck auf die Politik war groß. Der Mangel an Lehrkräften hat sich mit der Pandemie und vielen Pensionierungen verschärft, auf der anderen Seite hat die Unzufriedenheit von Jung-Lehrern zugenommen. Das eine hängt mit dem anderen zusammen, wie Gewerkschafter Paul Kimberger erzählt. Es vergehe keine Woche, in dem er nicht Anfragen zum Berufsausstieg erhält. „Das hat zugenommen.“

Auch Sebastian A. spürt den Personalmangel. Erst diesen Herbst wurde der Englisch-Lehrer an einem Wiener Gymnasium gebeten, kurzfristig eine fünfte Klasse zu übernehmen. Er ist 27 Jahre alt und noch nicht mit seinem Master fertig, der für eine reguläre Anstellung als Lehrer Voraussetzung ist. Im Bachelor-Studium sei „relativ wenig Praxis“ enthalten gewesen, kritisiert er.

Kaltes Wasser statt schrittweisem Heranführen

Während vor Jahrzehnten angehende Pädagoginnen am Beginn ihrer Ausbildung als Begleitung älterer Kollegen Erfahrung sammeln konnten, ist der Praxisanteil seit der Reform des Lehramtsstudiums vor rund zehn Jahren deutlich zurückgegangen. Statt einem schrittweisen Heranführen ist die heutige Realität das kalte Wasser. Der akute Lehrermangel bedingt, dass bereits Studentinnen und Studenten allein unterrichten – und nebenbei noch den Master machen müssen.

Das Leben von Sebastian A. besteht derzeit „entweder aus Uni oder Arbeit“, wie er sagt. „Es kann zach sein.“ Vor allem würden sich immer wieder Uni-Kurse und Unterrichtsstunden überschneiden. Das Studium sei „nicht wirklich“ auf das Arbeiten abgestimmt.

Diese Erfahrung hat auch Daniel M. machen müssen, der seit vier Jahren an einer MS in Graz unter anderem Mathematik und Sport unterrichtet. Auch er ist 27 Jahre alt. Er sagt sogar: „Ich würde es nicht noch einmal so machen.“ Es sei sehr schwierig, Arbeit und Studium unter einen Hut zu bringen. „Man müsste sich schon unbezahlten Urlaub nehmen.“

Zähe Verhandlungen, am Ende ein „Meilenstein“

Kein Wunder also, dass der Ruf nach einer Reform der Reform von 2014 bereits seit Jahren ertönt. Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) wollte einen Entwurf auch schon im Herbst fertig haben, damit zum Wintersemester 2024/25 die neue Studienordnung steht. Doch die Grünen legten sich quer, was Polaschek damals „befremdlich“ fand.

Dem Vernehmen nach verknüpften die Grünen diese Reform mit der geplanten universitären Ausbildung für Psychotherapeuten. Das bestritt die grüne Klubchefin Sigrid Maurer zwar am Mittwoch, doch nur wenige Stunden nach Vorstellung der Lehramts-Reform lud die Regierung zur Präsentation des neuen Psychotherapiegesetzes. Beides sind größere Neuerungen im Hochschul-Bereich.

Nur mehr halbe Lehrverpflichtung während des Studiums

Mit dem „Meilenstein“, wie Polaschek und Maurer unisono sagten, will die Bundesregierung die Ausbildung und ersten Arbeitsjahre von Lehrkräften attraktiver machen. Das Studium wird künftig für alle Schulformen fünf Jahre dauern und das Bachelor-Studium von acht auf sechs Semester verkürzt. Danach kann unterrichtet werden, also früher als bisher.

Das Masterstudium wird verlängert, soll aber besser berufsbegleitend absolviert werden können. Das hofft auch Kimberger, wobei die Details von den Unis noch festgelegt werden müssen. Theorie und Praxis sollen wieder stärker verschränkt und die praktische Erfahrung für den Master anrechenbar werden.

Gegenwärtig arbeitet ein Großteil parallel zum Masterstudium in Schulen, während der (bisher längeren) Bachelor-Ausbildung ist es immerhin ein Viertel. Das geht aus einer jüngst erschienenen Studie der Universität Wien hervor. Demnach arbeiten bereits einige angehende Lehrerinnen und Lehrer als Klassenvorstand. Das soll künftig nicht mehr möglich sein. Bis zum Abschluss des Masters soll prinzipiell nur mehr eine halbe Lehrverpflichtung möglich sein, nicht mehr fachfremd unterrichtet und auch keine Klasse geführt werden müssen. „Wir müssen ein Ausbrennen verhindern“, so Maurer.

Das neue Lehramtsstudium wird ab Herbst 2025 beginnen. Wer schon heuer beginnt, kann später problemlos ins neue Studium wechseln, heißt es.