Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) hat am Dienstag zu einer Informationsveranstaltung über die geplante Teilnahme Österreichs am europäischen Luftverteidigungssystem Sky Shield geladen. Neben Luftstreitkräfte-Kommandant Gerfried Promberger informierten Europa- und Völkerrechtler Walter Obwexer sowie Militärexperte und Kleine-Zeitung-Kolumnist Franz-Stefan Gady die Parlamentarier und Zuhörer über die gemeinsame europäische Initiative.

Es sei das erste Mal, dass das Thema in einer „breiteren Öffentlichkeit“ diskutiert werde, betonte Sobotka zu Beginn. Bis dato sei die Debatte „emotional“ geführt worden, insbesondere nach der Unterzeichnung der Absichtserklärung für den Beitritt zum „European Sky Shield“ (ESSI) durch Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) im Juli. Vor allem die Oppositionsparteien SPÖ, FPÖ und NEOS hatten die mangelnde Einbindung des Parlaments heftig kritisiert. Dem wollte Sobotka am Dienstag offensichtlich nachkommen.

Rot und Blau wenig begeistert

Jedoch zeigten sich SPÖ und FPÖ wenig begeistert davon. Der rote Wehrsprecher Robert Laimer bezeichnete die Veranstaltung als „Ablenkungsmanöver“ und erinnerte daran, dass es bis dato keine umfassende Information im Rahmen des Landesverteidigungsausschusses gegeben habe. Laimer forderte von Tanner „volle Transparenz“. Ähnlich auch die Kritik von FPÖ-Wehrsprecher Volker Reifenberger: „Die Beteiligung am NATO-Projekt Sky Shield ist und bleibt mit unserer immerwährenden Neutralität völlig unvereinbar - Schwarz-Grün und ÖVP-Verteidigungsministerin Tanner begehen damit offenen Neutralitätsbruch“. Die heutige Veranstaltung sei eine „erwartbare unbeholfene PR-Aktion“ gewesen, daher sei er dieser ferngeblieben, so Reifenberger. ÖVP-Wehrsprecher Friedrich Ofenauer hingegen sah in der Kritik „rote wie blaue Gespinste“. Diese würden durch ständige Wiederholung auch nicht wahrer.

Die Sicherheitslage in Europa habe sich geändert. Nicht nur der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine sondern auch der Nahost-Konflikt werde Europa die kommenden Jahre beschäftigen, so Sobotka. Das Sicherheitsgefühl in der heimischen Bevölkerung sein „ein anders“ geworden. Nicht zuletzt der Drohnenabsturz in der kroatischen Hauptstadt Zagreb im März des vergangenen Jahres habe Anlass gegeben, „sich mit dieser Thematik umfassend auseinanderzusetzen“. Sobotka appellierte an die Parteien, „das Thema sachlich aufzugreifen“ und keine „parteipolitische Auseinandersetzung“ daraus zu machen: „Sicherheit hat keine parteipolitische Farbe.“

19 Länder sind bei Sky Shield mit dabei

Über den Status quo der heimischen Luftabwehr informierte im Anschluss deren Chef Promberger. Die Notwendigkeit einer gemeinsamen Luftabwehr sei „unabdingbar“. Die Idee hinter der Teilnahme Österreichs an Sky Shield sei, einen „Schutzschirm“ für die österreichische Bevölkerung zu generieren. Dabei gehe es auch darum, das hiesige Luftraumüberwachungssystem ausgehend von der Radarüberwachung „Goldhaube“ logisch weiterzuentwickeln.

Entscheidendes Kriterium werde bei Sky Shield die „Interoperabilität“ sein, also „selbe Technik, selbe Verfahren und dieselbe Sprache“. Neben der gemeinsamen Beschaffung soll auch die Ausbildung gemeinsam erfolgen, erklärte Promberger. Keines der 19 Länder könne sich eine eigene Akademie leisten. Durch die gemeinsame Ausbildung und weitere Synergien könnte Steuergeld gespart werden. Welches System letztlich zum Zug kommen werde, hänge neben der Marktverfügbarkeit von den hiesigen Anforderungen ab. Anbieter gebe es mehrere, betonte der Luftstreitkräfte-Kommandant.

Experte sieht keinen Widerspruch zur Neutralität

„Nach der derzeitigen Ausgestaltung“ ist für Obwexer eine Teilnahme Österreichs an der Sky-Shield-Initiative „mit der dauernden Neutralität vollkommen vereinbar“. „Ich sehe da keinen Widerspruch“, so der Völkerrechtler. Eine gemeinsame Beschaffung, Nutzung und Ausbildung stehe der Neutralität nicht im Weg. Neben dem Verbot, an Kriegen teilzunehmen, berührten diese schließlich auch die zwei „Kernpflichten Bündnisfreiheit und Stützpunktverbot“ nicht. Zudem sehe die Neutralität vor, die Unversehrtheit seines Staatsgebietes gegen Angriffe von außen mit allen Mitteln zu verhindern.

Das Stützpunktverbot beinhaltet auch, dass die Kommandostruktur vollständig in Österreich liegen müsse. Verletzt werden würde es, wenn die Geräte dem Kommando anderer Staaten unterstehen würden, erläuterte Obwexer. Dies sei aber nicht der Fall. Und der von Österreich und der Schweiz angeführte Neutralitätsvorbehalt beinhalte die Möglichkeit, ihr Mitwirken im Kriegsfall zu suspendieren. „Das heißt, die ESSI ist mit der dauernden Neutralität Österreichs vollinhaltlich vereinbar.