Rechts und links. Bundeskanzler Sebastian Kurz kam gestern in seinem Statement nach dem Bundesparteivorstand auf die politischen Randströmungen zu sprechen. Die EU-Wahlen seien auf europäischer Ebene eine Richtungsentscheidung: „Wir wollen keinen Rechtsruck auf europäischer Ebene, wir wollen aber auch nicht als Antwort auf die Geschehnisse der letzten Tage einen Linksruck erleben.“ Eine linke Mehrheit im Parlament, von den Sozialisten bis hin zu den Kommunisten, müsse verhindert werden.

Wie ein Treppenwitz der Geschichte mutet es da an, dass ausgerechnet Russland, einst Mutterland des Kommunismus, als Strippenzieher und Finanzier der Rechtspopulisten in der EU unter Generalverdacht steht. Parteien wie die FPÖ zeigen die Verbindungen nach Moskau durchaus in demonstrativem Stolz – was zuletzt zur erfundenen Rahmenhandlung der Ibiza-Falle führte, deren Hauptfigur die angebliche Nichte eines milliardenschweren Oligarchen war. Inzwischen fühlte sich der Kreml sogar zu einem offiziellen Dementi veranlasst: „Es ist eine Geschichte, die nichts mit uns zu tun hat und auch nichts mit uns zu tun haben kann.“

Beste Beziehungen: Vilimsky, Strache, Hofer 2016 in Moskau
Beste Beziehungen: Vilimsky, Strache, Hofer 2016 in Moskau © Twitter

Je nach Interpretation begannen die Kontakte der FPÖ mit Moskau 2008 oder bereits 2005, zentrale Figur war bis zuletzt der zurückgetretene Klubchef Johann Gudenus, der aus seiner Begeisterung für Russland nie ein Hehl machte. Gudenus fand lobende Worte für Ramsan Kadyrow – Spitzname „Schlächter von Grosny“ – und war 2014 als Wahlbeobachter auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim, wo er am Ablauf des Referendums nichts auszusetzen hatte. Die heimische Außenpolitik zeugte von den guten Kontakten: Österreich trug zwar die Russland-Sanktionen wegen des Ukraine-Konflikts und nach dem Giftanschlag in Großbritannien mit, zog aber im Gegensatz zu vielen anderen Ländern keine Diplomaten ab. Heinz-Christian Strache war der Meinung, am Maidan wären Geheimdienste am Werk gewesen und es sei Geld gezielt an NGOs geflossen. Selbst die Verantwortung Russlands für den Abschuss eines Passagierflugzeugs zog er in Zweifel.

Der Nutzen für Putin

Für Wladimir Putin kann es sehr nützlich sein, führende Politiker eines zwar kleinen, aber in Europa geschätzten Landes auf seiner Seite zu wissen. Doch in Brüssel und in den Mitgliedsländern gehen viele davon aus, dass Russland ein ganzes Netzwerk gesponnen hat, mit dessen Hilfe Europa destabilisiert und zum leichten Gegner werden soll. Cyberattacken und Wahlbeeinflussung werden häufig bis zu russischen Quellen verfolgt. Dreh- und Angelpunkte für den Einfluss des Kreml sind aber die rechtspopulistischen Parteien.

Gegen die Sanktionen hatte sich nicht nur die FPÖ, sondern auch die deutsche AfD und die italienische Lega von Matteo Salvini ausgesprochen. Auch Salvini hält die Annexion der Krim für gerechtfertigt. Italien werde in Zukunft russlandfreundlicher agieren, verkündete der Lega-Chef. Gleichzeitig stritt er ab, aus Moskau Geld erhalten zu haben. Doch das Magazin „L’Espresso“ berichtet über einen Deal, der für die italienischen Rechtspopulisten drei Millionen Euro erbracht hätte. Demnach hätte Russland Öl an Italien verkauft, zu einem besonders günstigen Preis. Der gewährte Rabatt, besagte drei Millionen, wäre dann auf Lega-Konten geflossen. Ob das Geschäft tatsächlich abgewickelt wurde, ist nicht bekannt.

Ganz anders in Frankreich, wo die rechtsnationale Partei Rassemblement National (RN, früher Front National) von Marine Le Pen inzwischen gröbere Probleme mit Russland hat. Die Partei, die jährlich 4,5 Millionen Euro an Parteienförderung kassiert, war nach einem Gerichtsurteil in Geldschwierigkeiten geraten – der RN soll jahrelang Assistenten auf Kosten des EU-Parlaments beschäftigt haben, die in Wahrheit nationale Parteiarbeit geleistet hätten. Konten wurden blockiert, Le Pen musste bereits einen Teil ans EU-Parlament (also an die Steuerzahler) zurückzahlen.

Weil die Banken die Rechten nicht als kreditwürdig einschätzten, holten diese sich Geld aus Russland: 9,4 Millionen Euro von der Ersten Tschechisch-Russischen Bank, die im Umfeld von Putin und dem Oligarchen Gennadi Timtschenko agiert. Doch dubiose Geschäfte führten dazu, dass die Bankenaufsicht die Bank unter Zwangsverwaltung stellte. Laut einem Bericht der NZZ wurde der Kredit an Awiasaptschast verkauft – eine Firma, die Helikopter und Fluggeräte wartet, aber auch eine spezielle Geheimdienstlizenz besitzt und enge Beziehungen zum Kreml hat. Inzwischen verlangt Awiasaptschast 6 Prozent Zinsen jährlich – ob zu Recht, ist bereits ein Fall für die Gerichte. Unklar ist, wie groß die aus dieser Schuld entstehenden Abhängigkeiten für Le Pen sind. Der gesamte Kredit muss angeblich noch heuer zurückgezahlt werden.