Der Wind hat sich gedreht. Europa rückt nach rechts, die Grünen sind neben den Liberalen die großen Verlierer der EU-Wahl. Auch wegen des Wahlverhaltens der Jungen, die vor fünf Jahren die Öko-Partei noch zu einem Wahlerfolg trugen und für deren Wahlrecht ab 16 sich just die deutschen Grünen eingesetzt hatten.
Jugend wählt rechts
Daten des Meinungsforschungsinstituts Sora zeigen: 2019 haben noch 28 Prozent der unter 29-Jährigen die Grünen bei den EU-Wahlen in Österreich gewählt, sechs Prozent mehr als die SPÖ und gar elf bzw. zwölf Prozent mehr als ÖVP und FPÖ. Zahlen, von denen die Grünen fünf Jahre später nur träumen können. ÖVP, SPÖ und FPÖ liegen dieses Mal bei dieser Gruppe mit rund 20 Prozent gleichauf, acht Prozent vor den Grünen. Auch in Deutschland wählte die Jugend rechter. AfD und CDU (jeweils rund 17 Prozent bei den unter 30-Jährigen) sind dort mittlerweile am beliebtesten.
Der Erfolg bzw. Misserfolg hat viele Facetten: Auf den sozialen Medien haben längst die rechten Parteien das Feld übernommen. Rechtssein ist wieder en vogue, cool, dandyhaft. TikTok-Videos der AfD-Bundestagsfraktion erreichten zwischen Jänner 2022 und Dezember 2023 im Schnitt 430.000 Reaktionen pro Video. Die FDP kam auf rund 53.000, die restlichen Parteien lagen noch weiter zurück. In Österreich herrscht dasselbe Bild. 830.000 Interaktionen generierte FPÖ-Spitzenkandidat Harald Vilimsky auf den sozialen Netzwerken während des Wahlkampfes. Deutlich mehr als Helmut Brandstätter, der mit 156.000 Interaktionen vor Lena Schilling (124.000) auf Platz zwei landete.
Der Rechtsruck bei den Jugendlichen lässt sich nicht allein mit Social-Media-Zahlen erklären. In Zeiten eines Krieges in Europa haben sich die Wahlmotive verschoben. Hinter vorgehaltener Hand heißt es von Grünen auf europäischer Ebene, dass man teilweise an der Kommunikation gescheitert sei. Man hätte den Klima- und Umweltschutz nicht genug heruntergebrochen.
Zudem blieb der Rückenwind aus der Zivilgesellschaft dieses Mal aus, der 2019 durch „Fridays for Future“ für die Grünen wehte. Auch gab es einen allgemeinen Trend hin zu Proteststimmen gegen Regierungsparteien. In Deutschland mussten alle drei Ampel-Parteien Verluste einstecken. Die AfD sowie andere Rechte versprachen hingegen mit einfachen Botschaften Stabilität, nach der sich in turbulenten Zeiten viele sehnen. Mit einem Minus in Deutschland hatten die Grünen gerechnet und auf kleinere Mitgliedsstaaten mit jungen grünen Bewegungen gehofft. Die Rechnung ging nur teilweise auf. Künftig kommen erstmals drei grüne Abgeordnete aus Italien, je einen Sitz konnten die Grünen in Slowenien und Kroatien erringen. Ein Anfang, nicht mehr.