Belgien braucht noch etwas Zeit. In fünf Tagen, am 8. Juni, soll die nächste Lockerungsstufe in Kraft treten, heute, gerade jetzt genau genommen, wird darüber beraten. Die nächsten Schritte sind danach für 1. Juli, 1. August und 1. September vorgesehen – ein Langzeitprogramm, das vielleicht nur dann zügiger erledigt ist, wenn die Zahlen klar in die richtige Richtung gehen.

Belgien hat ja verhältnismäßig hohe Werte, was die Auswirkungen der Pandemie betrifft. Gestern gab es die Jubelmeldung, dass erstmals seit Ausbruch von Corona die Zahl der täglichen Neuinfizierten unter 100 lag (allerdings unter dem Vorbehalt, dass wegen des langen Pfingstwochenendes die gemeldeten Fälle nicht auf dem letzten Stand sind). 58.615 Personen haben sich nachweislich angesteckt, 9505 fanden bisher den Tod. Wie auch an dieser Stelle schon das eine oder andere Mal ausgeführt: nicht alle diese Verstorbenen wurden auch getestet, aber Belgien dürfte im Gegensatz zu vielen anderen Ländern von Beginn an eine sehr realistische Einschätzung vorgenommen haben.

Im Augenblick haben alle Restaurants und Lokale noch geschlossen, man darf zu Hause maximal vier Personen empfangen (und zwar immer die gleichen) und auch Gottesdienste sind zur Zeit noch Teil der Corona-Verbote. Friseure haben inzwischen aber wieder geöffnet (was auch dem Schreiber dieser Zeilen schon zugute gekommen ist – nach Terminvereinbarung und mit viel Desinfektionsmittel, Maskentragen, Plexiglas überall und jeder Menge Sicherheitsabstand – es hat trotzdem geklappt) und auch die Geschäfte sind offen. Allerdings mit Einschränkungen: maximale Kundenanzahl (das wird penibel kontrolliert), ebenfalls literweise Desinfektion beim Eingang und Bodenmarkierungen, die den Weg durchs Geschäft wie bei einem Parcours vorgeben. Vielleicht machen die Lokale jetzt doch in den nächsten Tagen schon auf, die Leute warten darauf. Am Abend werden wirs wissen.

Nach und nach bewegt sich immerhin auch die Arbeitswelt wieder in die Richtung, die man gewohnt war. Letzte Woche der erste „richtige“ Termin im EU-Viertel, genauer im Kommissionsgebäude. Man trifft nach zweieinhalb Monaten plötzlich Kollegen wieder, manche von ihnen aus dem Österreich-Exil zurückgekehrt, alle brav mit Maske. Nur drinnen dann, in einem großen Saal mit viel Abstand zueinander, kann man sie ablegen. Gesprächsrunde mit Kommissar Johannes Hahn – der ist jetzt fürs Budget verantwortlich und damit eine Art Dagobert Duck im Geldspeicher der EU.Millionen, Milliarden, Billionen: am 18. oder genauer am 19. Juni können die Staats- und Regierungschefs über das EU-Wirtschaftspaket abstimmen. Sie werden es freilich nicht so einfach tun, zuerst muss gestritten und gefeilscht werden, das gehört dazu – jeder hat seinen Preis.

Vermutlich läuft es so: Man wird die Positionen noch einmal abstecken, dann einige Punkte der Annäherung finden, in anderen aber ohne Einigung auseinandergehen. Immer noch virtuell, versteht sich. Danach werden die Telefon- und Videoleitungen glühen, es wird zugehen wie im Basar. Mit 1. Juli übernimmt Deutschland den Ratsvorsitz; wie man nun hört, könnte es um den 10. Juli herum einen Budget-Sondergipfel geben, diesen dann erstmals wieder „physisch“, also unter Anwesenheit der Staatenlenker. Das ist bei solchen Entscheidungen letzten Endes unumstößlich, alles geht noch nicht per Video. Und dann, bei diesem Gipfel, könnte es dann erst zum großen Showdown mit theatralischem Schlagabtausch und danach zur befreienden Einigung kommen, jeder kann mit einem Lächeln im Gesicht nach Hause fahren und daheim berichten, er habe alles  aus der EU herausgeholt, was fürs eigene Land das beste ist. Und Angela Merkel, als Ratsvorsitzende für die zweite Jahreshälfte, kann schon in den ersten 14 Tagen in diesem Amt einen ansehnlichen Erfolg einfahren.

Soweit also unsere Prognose. Jetzt müssen sich bloß noch alle EU-Institutionen und 27 Mitgliedsländer dran halten. Wir bleiben dran.