Mehr als die Hälfte der Moore in der EU sind zerstört, in Österreich sind es sogar 90 Prozent. Das Renaturierungsgesetz der EU soll hier eingreifen und dafür sorgen, dass bis zum Jahr 2030 geschädigte Ökosysteme auf 20 Prozent der Fläche der Europäischen Union "ökologisch wiederhergestellt" werden. Zugleich ist es das Ziel der EU, Städte mit mehr Grünflächen auszustatten und neue Naturschutzgebiete zu schaffen.

Forscher sprechen von Meilenstein

Für den Biodiversitätsforscher Johannes Rüdisser von der Uni Innsbruck ist das Gesetz ein "Meilenstein". Auf Österreich würden aber nun große Herausforderungen zukommen. "Die Staaten müssen nun einen Aktionsplan entwerfen, um die festgeschriebenen Ziele umzusetzen – das ist besonders für föderale Staaten schwierig." Rafaela Schinegger von der Boku Wien gibt zu bedenken, dass an der Rückgewinnung der Natur letztlich auch die Lebensqualität in Europa hängt: "Gute Luftqualität, sauberes Trinkwasser – das spielt hier alles mit rein."

Dafür brauche es nun eine Ausweitung der Naturschutzgebiete. Während Österreich bereits mit rund 28 Prozent Naturschutzgebieten nahe am 30-Prozent-Ziel ist, muss man bei der Schaffung von strengen Naturschutzgebieten nachschärfen. So würden aktuell nur drei Prozent der österreichischen Fläche unter strengen Naturschutz stehen, vorgeschrieben sind zehn. "Nationalparks müssen ausgeweitet werden, Naturschutzflächen vergrößert – notfalls auch mit Umwidmungen", sagt Rüdisser. Schinegger ergänzt, dass dafür die überbordende Bodenversiegelung beendet werden muss.

Österreich hat Aufholbedarf

Aktuell wäre Österreich ohnehin kein Vorbild in der Bekämpfung der Biodiversitätskrise, sagen die Forscher. Das Renaturierungsgesetz ist daher für Rüdisser "ein echter Push für Österreich, der uns nicht schadet". Kritik kommt von ÖVP und FPÖ. Alexander Bernhuber, ÖVP-EU-Abgeordneter, sprach von einer "Fehlentscheidung". Die freiheitliche EU-Sprecherin Petra Steger warnte bereits vor der Abstimmung vor einer "Umerziehung der Bürger in ihrer Ernährung". Konservative Kreise befürchten, dass die Renaturierung auf Kosten der Landwirte geschehe. Rüdisser versteht die Bedenken. "Die Landwirtschaft bewirtschaftet nun mal in Österreich und anderen Staaten größere Flächen, da ist es naheliegend, dass auch sie betroffen sein wird."

Der Experte gibt aber zu bedenken, dass die Landwirtschaft von der Gesellschaft zu Recht Ausgleichszahlungen erhält. "Im Gegenzug dazu kann die Bevölkerung aber auch verlangen, dass die Landwirtschaft etwas zurückgibt – im konkreten Fall etwas mehr Raum für Natur. Wovon aber auch die Landwirtschaft wieder profitiert." Wie viel Prozent der landwirtschaftlichen Fläche davon betroffen sein wird, ist noch nicht abschätzbar.

Eine Bedrohung für die Ernährungssicherheit, die die EVP befürchtet, wird nicht eintreten, sagt Rüdisser. Österreichs Landwirtschaft ist mehr auf die Produktion von Futtermitteln ausgerichtet, Lebensmittel nehmen einen kleineren Teil ein. Die Landwirtschaft ist auch Nutznießer des Gesetzes. Naturschutzgebiete schützen die Artenvielfalt – die dadurch sichergestellte Bestäubung ist für Obstbauern überlebensnotwendig.