Wegen der Nordirland-Frage ist der Brexit-Vertrag in Großbritannien hoch umstritten. Die Brexit-Hardliner fürchten, dass die vorgesehenen Regelungen die vollständige Trennung von der EU auf unbestimmte Zeit verschieben könnten. Das britische Unterhaus stimmte am Dienstagabend nun dafür, das Brexit-Abkommen an dem Punkt nachzuverhandeln.

Zuvor hatte auch Premierministerin Theresa May "rechtliche Änderungen" am Austrittsabkommen gefordert - was die EU jedoch erneut kategorisch ablehnte. Warum das Nordirland-Problem so brisant ist:

NORDIRLAND

Nordirland gehört zum Vereinigten Königreich. In der britischen Provinz auf der irischen Insel leben gut 1,8 Millionen Menschen. Lange Zeit bekämpften sich dort irisch-katholische Nationalisten und protestantische Loyalisten. Seit den 60er Jahren starben dabei 3500 Menschen. Der Nordirland-Konflikt endete 1998 durch das Karfreitagsabkommen. Es sichert neben der Aufteilung der Macht zwischen Protestanten und Katholiken einen reibungslosen Austausch zwischen dem Norden und dem Süden der Insel zu.

DIE GRENZE ZU IRLAND

Irland und Nordirland haben 500 Kilometer gemeinsame Landgrenze. Während des Nordirland-Konflikts waren weite Teile durch Wachtürme, Stacheldraht und schwer bewaffnete Soldaten gesichert. Heute ist die Grenze kaum sichtbar. 30.000 Menschen pendeln täglich ohne Kontrollen über die Grenze zur Arbeit, Waren und Güter passieren sie zollfrei, und Unternehmen haben grenzüberschreitend Lieferketten aufgebaut.

DER KONFLIKT

Die EU wie Großbritannien befürchten ein Wiederaufflammen des Konflikts, wenn nach dem Brexit Grenzkontrollen wieder eingeführt werden müssen. Deutschlands Außenminister Heiko Maas (SPD) verwies kürzlich auf den jüngsten Anschlag mit einer Autobombe in Derry. Auch wenn die irisch-republikanische Untergrundorganisation IRA ihre Waffen niedergelegt hat, gibt es weiter Splittergruppen, die gewaltbereit sind. Die nordirische Polizei vermutete die paramilitärische Gruppe "New IRA" hinter dem Anschlag von Derry.

DIE VERHANDLUNGSLÖSUNG

Die EU und London wollen deshalb eine "harte Grenze" mit Kontrollen verhindern. Nach dem Austrittsvertrag würde nach dem Brexit Ende März in einer Übergangsphase bis maximal Ende 2022 über eine Lösung verhandelt. EU-Verhandlungsführer Michel Barnier hat einige technische Möglichkeiten genannt, um die Kontrollen so "unsichtbar" wie möglich zu machen. Dazu gehören vorab ausgefüllte Online-Zollerklärungen und das Scannen von Barcodes auf Lastwagen und Containern.

DIE NOTLÖSUNG

Ohne Einigung in der Übergangsphase würde eine im Brexit-Vertrag festgeschriebene Auffanglösung greifen. Der sogenannte Backstop sieht vor, dass das Vereinigte Königreich bis auf weiteres in einer Zollunion mit der EU bleibt. Für Nordirland würden zudem Bestimmungen des EU-Binnenmarktes weiter gelten.

KRITIK DER  HARDLINER

Die britischen Brexit-Hardliner stören an der Auffanglösung drei Dinge: Der Backstop hat keine zeitliche Befristung, weshalb Großbritannien noch Jahre an die EU gebunden bliebe. Wegen der Zollunion könnte London zudem keine eigenen Handelsabkommen schließen. Und schließlich wären gewisse Kontrollen im Bereich der Lebensmittelsicherheit oder bei Umweltstandards zwischen Nordirland und dem Rest des Vereinigten Königreichs nötig, weil die britische Provinz de facto im EU-Binnenmarkt bliebe.

Am Dienstag verlangte das britische Parlament nun Nachverhandlungen mit der EU zur umstrittenen Nordirland-Frage. Die Abgeordneten stimmten mehrheitlich dafür, die sogenannte Backstop-Regelung in dem Abkommen zu ersetzen.