Gleiches Recht für alle: Ein Arbeitgeber in Österreich könnte laut EuGH verpflichtet werden, allen Beschäftigten unabhängig von ihrer Religion am Karfreitag ein Feiertagsentgelt zu zahlen. Der Gerichtshof betonte am Dienstag in seinem Urteil, dass die Gewährleistung eines bezahlten Feiertags nur für die Angehörigen der evangelischen Kirchen A. B. (lutherische) und H. B. (reformierte) sowie drei weiterer eine Diskriminierung wegen der Religion darstelle.
Die Bundesregierung will die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum Karfreitag und die damit verbundenen Auswirkungen "genau prüfen", wie Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal am Dienstag mitteilte. "Nach dieser Prüfung wird die Bundesregierung zeitnah weitere Schritte bekannt geben."
Der EuGH stellte in seinem Urteil fest, dass ein privater Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet sei, auch seinen anderen Arbeitnehmern einen bezahlten Feiertag am Karfreitag zu gewähren.
Feiertag für alle
"Im Moment erleichtert" zeigt sich der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker. Das Urteil spiele den Ball zurück an den Gesetzgeber in Österreich. Die EU habe wie es ihren Richtlinien entspricht nicht in das innerösterreichische Religionsrecht eingegriffen, sondern überlässt das dem österreichischen Gesetzgeber. Wenn nichts geschehe, werde der Karfreitag in der Realität ein Feiertag für alle. Eine Streichung des Feiertags durch den Gesetzgeber sei "gar nicht in unserem Interesse, denn der Karfreitag hat für die Evangelischen zentrale Bedeutung", erklärt der Bischof.
Bünker will kämpfen
Welche Auswirkungen hat die Entscheidung des EuGH nun für Österreich? Bekommt Österreich einen gesetzlichen Feiertag mehr, was die Wirtschaft mit Verweis auf die damit verbundenen Kostenlawine ablehnt? Oder fällt der Sonderstatus der Evangelischen? Dagegen will Bünker jedenfalls kämpfen: „Die Evangelischen brauchen den Karfreitag!“ Seine hohe religiöse Bedeutung sei für sie unaufgebbar, die „Feiertagsregelung als Ausdruck der Minderheitenrechte als wesentlich anzuerkennen“.
Das betont auch Synodenpräsident Peter Krömer. Um Interessen der Wirtschaft zu berücksichtigen, könnte der Karfreitag auch "zum Beispiel gegen den Pfingstmontag getauscht werden", so der Rechtsanwalt. Dagegen sprach sich umgehend die SPÖ mit ihrem stellvertretenden Klubobmann Jörg Leichtfried aus: Die Österreicher hätten sehr lange wöchentliche Arbeitszeiten, argumentiert Leichtfried. Keine Lösung wäre es für die SPÖ, für den Karfreitag andere gesetzliche Feiertage zu streichen.
Denkbar ist für Bischof Bünker allerdings auch, dass die gesetzlichen Zuschläge für Evangelische bei Arbeit am Karfreitag entfallen. Diese Regelung entspräche dem EuGH-Urteil und berücksichtige zugleich die hohe Bedeutung des Feiertags für die evangelische Minderheitskirche. „Die konkrete Lösung wird das Ergebnis von Gesprächen sein. Wir legen jedenfalls Wert darauf, dass wir gehört werden“, so Bünker abschließend.
Schützenhilfe von katholischer Kirche
Der Karfreitag soll weiterhin für Evangelische und Altkatholiken ein gesetzlicher Feiertag bleiben bei gleichzeitigem Entfall der Feiertagszuschläge für jene, die dennoch an diesem Tag arbeiten. Dafür hat sich der Generalsekretär der Bischofskonferenz, Peter Schipka, am Dienstag im Interview mit Kathpress ausgesprochen. Weil der Karfreitag für evangelische Christen eine "zentrale religiöse Bedeutung" habe, solle die diesbezügliche "Feiertagsregelung lediglich modifiziert" werden. "Mit der Streichung der Zuschläge für jene, die trotzdem am Karfreitag arbeiten, wäre sowohl dem EuGH-Urteil als auch dem berechtigten Anliegen der drei evangelischen sowie der altkatholischen Kirchen entsprochen", führte Schipka aus. Die katholische Kirche werde in dieser Frage eng mit den evangelischen Kirchen zusammenarbeiten.
Große Tragweite
Die Diskussion um die österreichische Karfreitagsregelung begann 2015: Damals hatte sich ein Arbeitnehmer ohne Bekenntnis um 109,09 Euro geprellt gefühlt, die sein evangelischer Kollege für das Arbeiten am Karfreitag bekam, er allerdings nicht. Der Mann fühlte sich als Nichtprotestant benachteiligt und klagte auf das Zusatzentgelt für die am Karfreitag geleistete Arbeit. Nach wechselhaftem Zug durch die Instanzen landete der Fall schließlich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH).
Diskriminierung?
Dieser hatte nicht nur darüber zu befinden, ob die Karfreitagsregelung eine Diskriminierung darstellt und EU-Recht widerspricht. Der Oberste Gerichtshof in Wien wollte für den Fall, dass es eine Diskriminierung ist, auch wissen, ob die für den Karfreitag geltende Feiertagsregelung und das Feiertagsentgelt dann allen Arbeitnehmern zugutekommen oder keinem.
Das EuGH-Urteil zum Karfreitag
Heute gaben die Luxemburger Richter ihr Urteil in der brisanten Causa bekannt. Der Generalanwalt beim EuGH hatte schon in seinen Schlussanträgen vom Juli des Vorjahrs bereits Pflöcke eingeschlagen. Für ihn stellt die nationale Sonderstellung der Evangelischen am Karfreitag eine unzulässige Diskriminierung dar und sollte nicht länger angewendet werden. Zugleich kam er aber auch zum Schluss, dass Arbeitgeber nicht dazu verpflichtet sind, allen Arbeitnehmern – unabhängig von ihrer Religion – Feiertagszuschläge zu bezahlen. Diese müssten allenfalls beim Staat eingeklagt werden.
Jom Kippur ebenfalls frei?
Aber würde das die katholische Kirche hinnehmen? Und was ist dann mit Jom Kippur, das für Österreichs Juden ebenfalls arbeitsfrei ist? Der Arbeits- und Sozialrechtler Wolfgang Mazal verwies im Ö1-"Morgenjournal" darauf, dass dann auch Jom Kippur zum Feiertag für alle werden müsste. Am Versöhnungstag im Herbst haben bisher nur jüdische Arbeitnehmer frei. "Darüber hinaus kann man das Ganze drei Jahre rückwirkend geltend machen."
Im Gegensatz zum Karfreitag ist dieser zwar nicht im Arbeitsruhegesetz geregelt. Allerdings gilt dieser laut Generalkollektivvertrag als arbeitsfreier Tag für Juden. Die Wirtschaftskammer glaubt, dass der Fall anders zu sehen sei als der Karfreitag.
"Es ist eine ähnliche Problematik. Der Europäische Gerichtshof hat sich aber zu dieser Frage nicht geäußert", sagte Rolf Gleißner, zuständig für Sozialpolitik in der Wirtschaftskammer, im Ö1-Mittagsjournal.
Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, sieht den jüdischen Versöhnungstag Jom Kippur nicht vom Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Karfreitag betroffen. Das EuGH-Urteil habe nichts mit den Regelungen für jüdische Arbeitnehmer am Jom Kippur zu tun, denn "das eine ist die gesetzliche Ebene, das andere eine kollektivvertragliche Regelung", befand Deutsch auf Twitter.
Wirtschaft sagt nein
Die Wirtschaft lehnt einen arbeitsfreien Karfreitag für alle Arbeitnehmer ab. Der Generalsekretär des ÖVP-Wirtschaftsbundes, Peter Haubner, meinte am Montag gegenüber der Austria Presseagenur, ein weiterer freier Tag würde viel Geld kosten, das könne sich die Wirtschaft nicht leisten. Österreich liege im internationalen Vergleich mit 13 Feiertagen ohnehin schon im Spitzenfeld.