Es ist eine Entscheidung, die Millionen von Europäern berührt: An diesem Dienstag stimmt das britische Unterhaus über den mit der Europäischen Union ausgehandelten Brexit-Vertrag ab. Die 650 Abgeordneten haben es in der Hand, ob und wie der für den 29. März angekündigte britische EU-Austritt kommt - und wie stark er Bürger, Unternehmen und Politik erschüttert. Fünf Punkte, die man wissen muss:

1. Was steht im Abkommen?

Der 585 Seiten starke Austrittsvertrag regelt Hunderte Fragen der Trennung. Für die EU sind drei Punkte zentral: Die EU-Bürger in Großbritannien und die Briten in der EU können mit einem gesicherten Rechtsstatus so weiterleben wie bisher; Großbritannien sagt Zahlungen an die EU von geschätzt etwa 45 Milliarden Euro zu; und die Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland bleibt offen. Im Gegenzug bekommt Großbritannien eine Übergangsfrist bis mindestens Ende 2020 und langfristig eine enge Wirtschafts- und Sicherheitspartnerschaft mit der EU. Den Ausblick darauf gibt eine "Politische Erklärung", die das Abkommen ergänzt.

2. Warum ist das wichtig?

Die Übergangsfrist stellt sicher, dass sich am Austrittstag 29. März für Bürger und Unternehmen zunächst praktisch nichts ändert, obwohl Großbritannien nicht mehr EU-Mitglied ist. Für die EU-Bürger in Großbritannien, für Irland und für das EU-Budget werden die Folgen der britischen Entscheidung auf Dauer abgefedert. In Österreich will EU-Minister Gernot Blümel für den Fall, dass es zu keinem Vertrag kommt, im Ministerrat morgen ein Sammelgesetz vorliegen, das eine gesonderte Regelung für Briten in Österreich und Österreicher in Großbritannien vornimmt.

3. Warum ist der Widerstand in Großbritannien so groß?

EU-freundlichen Abgeordneten ist der Plan von Premierministerin Theresa May für die künftigen Beziehungen zu vage. Sie wollen eine engere Bindung an die EU. Strenge Brexit-Befürworter und die nordirische Regionalpartei DUP rebellieren indes gegen die Garantie für eine offene Grenze in Irland, die politische Spannungen dort abwenden soll. Nach dem Abkommen bleibt Großbritannien als Ganzes in einer Zollunion mit der EU, bis eine bessere Lösung gefunden ist, für Nordirland gelten einige Sonderregeln. Die EU hat am Montag noch einmal zugesichert, dass man dies nur als Rückversicherung sehe und möglichst nie anwenden wolle. Britische Kritiker warnen dennoch, Großbritannien kette sich damit auf Dauer an die EU.

4. Was passiert ohne Deal?

Es gäbe keine Übergangsfrist und keine Abmachungen. Nach den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) müssten Zölle erhoben und somit die Grenzen kontrolliert werden. Die Folge wären Staus, Lieferengpässe und die Unterbrechung von Produktionsketten. EU-Bürger in Großbritannien hätten zunächst einmal keine Rechtsansprüche. Im EU-Budget 2019 risse ein Milliardenloch auf. Folge wären eine Budgetsperre oder neue Forderungen an Nettozahler, auch an Deutschland. In Irland würde wohl die gefürchtete harte Grenze mit Kontrollen entstehen. Alles zusammen brächte politische Unsicherheit und Konjunkturrisiken.

5. Wie kann man das verhindern?

Stimmt das britische Unterhaus zu, folgen wohl bis Mitte Februar die Ratifizierung im Europaparlament und ein geregelter Austritt am 29. März. Fällt das Abkommen - wie von vielen erwartet - durch, bleiben absehbar drei Möglichkeiten, um einen "No-Deal-Brexit" abzuwenden: eine neue Abstimmung in der Hoffnung auf ein Umdenken der Mehrheit, die Verlängerung der Austrittsfrist mit Zustimmung der übrigen 27 EU-Staaten oder ein einseitiger Rückzieher Großbritanniens. Die Frage ist vor allem aber auch, ob Premierministerin Theresa May den Abend der Abstimmung überlebt. Wenn Hunderte auch aus den eigenen Reihen gegen ihr Brexit-Abkommen stimmen, wäre ihr Rücktritt fast unausweichlich.

Ließe sich ein chaotischer Bruch trotzdem nicht abwenden, wollen die EU und Großbritannien mit einseitigen Notmaßnahmen die schlimmsten Folgen verhindern, etwa die Kappung aller Flugverbindungen. Denkbar wären auch kurzfristige Absprachen beider Seiten. Die EU schließt das aber bisher aus.