Die Bilanz der EU-Präsidentschaft Österreichs in den zurückliegenden sechs Monaten falle bestenfalls durchwachsen aus, heißt es am Montag im Zürcher "Tages-Anzeiger":

"Gewiss, in Sachen Glanz und Gloria haben sich die austriakischen Zeremonienmeister dem Habsburger Erbe als würdig erwiesen. Vom Salzburger Mirabellgarten bis zur Wiener Hofreitschule waren die Kulissen perfekt gewählt. Die Organisation lief wie am Schnürchen. Doch die Substanz war weniger bemerkenswert. (...) Als Tiefpunkt der EU-Präsidentschaft darf aber die Absage Österreichs an den UNO-Migrationspakt gelten. Denn die Regierung in Wien, die noch an der Ausarbeitung des Pakts konstruktiv beteiligt war, hat hier ihre EU-Rolle vom innenpolitischen Populismus überwuchern lassen. Sie hat sich damit nicht als Brückenbauer gezeigt, wie das Kanzler (Sebastian) Kurz stets gern verspricht, sondern im Gegenteil: als Spalter."

Die bürgerlich-konservative deutsche Tageszeitung "Die Welt" schreibt in ihrer Montag-Ausgabe über den österreichischen EU-Ratsvorsitz und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP):

"(...) Die EU-Ratspräsidentschaft war eine Sternstunde der österreichischen Diplomatie. Der hoch umstrittene EU-Haushalt 2019 wurde letztlich zügig und geräuschlos verabschiedet. Das Verbot von Wegwerfartikeln aus Plastik ab 2021 wurde im Rekordtempo von wenigen Monaten durchgesetzt. Und die Einigung über eine Reduktion des CO2-Ausstoßes von Neuwagen um 37,5 Prozent bis zum Jahr 2030 war von vielen in Brüssel vor Kurzem noch für unmöglich gehalten worden.

Dennoch ist die Bilanz von Österreichs Ratspräsidentschaft gemischt. Kurz hat es in den vergangenen sechs Monaten nicht geschafft, seine selbst gewählte Rolle als 'Brückenbauer' in Europa auszufüllen. Zu Beginn des EU-Vorsitzes hatte er auch den Mund etwas zu voll genommen und zu hohe Erwartungen geweckt. Er wollte damit Druck aufbauen, aber er fühlte sich zu sicher - das war ein Fehler.

Kurz hat es nicht geschafft, die Spaltung der EU in der Migrationsfrage zu überwinden. Er hat es nicht geschafft, den Schutz der Außengrenzen weiter deutlich zu optimieren und eine europäische Asylgesetzgebung zu verabschieden. Und er hat es nicht geschafft, die immer größer werdende Kluft zwischen den ost- und mitteleuropäischen Staaten einerseits und den 'alten' EU-Ländern andererseits zu verringern. Zudem verkündete Österreich als EU-Vorsitz aus heiterem Himmel als erstes Land in Europa, den UN-Migrationspakt nicht zu unterstützen - das war Kurz' zweiter Fehler. Damit stellte sich der EU-Vorsitz gegen die große Mehrheit der Mitgliedsländer. Dadurch setzte sich auf internationaler Ebene der Eindruck fest, dass die Regierung in Wien sich während ihrer Ratspräsidentschaft nicht immer als 'ehrlicher Makler' verhielt, sondern innenpolitisch punkten wollte.