Nach der weitgehenden Einigung zwischen Großbritannien und der Europäischen Union steht Gibraltar als einer der letzten Stolpersteine vor dem Abschluss eines Brexit-Abkommens am Sonntag. Der spanische Ministerpräsident Pedro Sanchez droht mit einem Nein, falls der Vertragstext nicht geändert wird.

Hintergrund ist der jahrhundertelange Streit zwischen Großbritannien und Spanien um das nur 6,7 Quadratkilometer große Gebiet am Südzipfel der iberischen Halbinsel. Es steht seit 1713 unter britischer Souveränität, wird aber von Spanien beansprucht. "Wie mit Dornen in den Füßen müssen wir Spanier leben, solange Gibraltar zu England gehört", soll König Philipp V. gesagt haben.

Alter Streit zwischen Spanien und Briten

Spanien fürchtet, dass durch den Brexit einseitig Fakten zum künftigen Status von Gibraltar geschaffen werden. Seit langem kommt es zu Spannungen zwischen dem Vereinigten Königreich und Spanien, weil Spanien die Hoheit über Gibraltar wiedererlangen möchte.

Die Grenze nach Spanien war aufgrund einer Blockade, die Spaniens Dikatator Francisco Franco gegen Gibraltar verhängte, von 1969 bis 1985 geschlossen. Der Felsen von Gibraltar war in dieser Zeit auf dem Landweg nicht mehr erreichbar. Die Bewohner merkten sich das: Bei einem Referendum stimmten 2002 99 Prozent der Abstimmenden für einen Verbleib unter britischer Herrschaft. Nur 187 Bewohner waren für eine geteilte Souveränität.

2006 schlossen Spanien und Großbritannien einen Vertrag zur Zusammenarbeit. Erst seit damals gibt es einen Linienflug von Spanien nach Gibraltar, Regelungen über das Telefonnetz und eine Erleichterung der Grenzkontrollen auf der Landseite. Immer wieder kommt es jedoch zu Zwistigkeiten um Hoheitsgewässer oder Grenzkontrollen.

Für Großbritannien, aber auch für EU

Im November 2006 stimmten über 60 Prozent der gibraltarischen Bevölkerung für eine neue Verfassung, die größere Eigenständigkeit vorsieht, insbesondere im Justizwesen. Im Gegensatz zu allen anderen Britischen Überseegebieten ist Gibraltar Teil der Europäischen Union. Beim Referendum über den Verbleib Großbritanniens in der EU stimmten 95,9 Prozent dafür - der Stimmbezirk mit dem höchsten Stimmanteil.

Die meisten Einwohner Gibraltars sind britischer (27%), spanischer (26%), italienischer (19%) oder portugiesischer (8%) Herkunft. Alle Gibraltarer haben auch einen britischen Pass.

Madrid setzte schon im Frühjahr 2017 im Kreis der EU eine Art Vetorecht durch zu allen Entscheidungen, die Gibraltar betreffen. Das kommt nun wieder hoch: Die spanische Regierung hält eine Passage des Austrittsabkommens mit Großbritannien - den Artikel 184 - für nicht eindeutig genug und verlangt eine neue Formulierung.

Vetorecht nicht festgeschrieben

Der Artikel sieht vor, dass die EU und Großbritannien "die nötigen Schritte unternehmen, um rasch die Vereinbarungen zu verhandeln, die ihre künftigen Beziehungen regeln". Madrid bemängelt, dass darin das spanische Vetorecht in Sachen Gibraltar nicht ausdrücklich festgeschrieben wird. Spanien will eine Zusicherung, dass über Gibraltar - wie bisher - Madrid und London bilateral verhandeln sollen.

Diplomaten in Brüssel weisen darauf hin, dass der juristische Dienst des EU-Rats wie auch der EU-Kommission einhellig die Bedenken für unbegründet halten. Eine Nachverhandlung des Vertragstexts hält man im Kreis der 26 anderen bleibenden EU-Länder nicht nur für unnötig, sondern auch für gefährlich. Dann könnte London auch Korrekturen fordern und das Abkommen schnell auseinanderfallen, wird argumentiert.

Bisher hat das wenig gefruchtet. Die Bedenken in Madrid bestünden fort, sagte ein Sprecher der EU-Kommission noch am Donnerstag. Man arbeite daran, sie auszuräumen. Denkbar ist nach Angaben von Diplomaten eine Zusatzerklärung oder eine Protokollnotiz zur Klarstellung. Für Großbritannien ist das Thema ebenfalls heikel. Premierministerin Theresa May warnte zuletzt, London werde auch nach dem Brexit die "britische Souveränität schützen".