Ex-Bundespräsident Heinz Fischer widmet sich in seinem Gastkommentar der österreichischen Vorsitzführung und äußert sich in mehreren Passagen auffallend kritisch zu den europapolitischen Markierungen der neuen Bundesregierung. So wirft das frühere Staatsoberhaupt der türkis-blauen Koalition vor, den Grundkonsens einer „gemeinsamen Außenpolitik“, wie er für die Zweite Republik prägend gewesen sei, abgerückt zu sein.

Man habe sich in Österreich in der Vergangenheit stets mit Erfolg bemüht, in zentralen Fragen der Außenpolitik parteiübergreifende, gemeinsame Positionen zu erlangen. Unter der neuen Regierung habe er, Fischer, diesbezüglich „kaum Ansätze für Versuche in Richtung einer gemeinsamen Außenpolitik“ entdecken können.

Parteinahme entbehrlich

Konkret übt Heinz Fischer deutliche Kritik am jüngsten Treffen der gesamten Regierung mit den bayerischen Merkel-Gegnern in Linz. Fischer: „Die Sitzung des Ministerrates der Republik Österreich mit der Landesregierung eines deutschen Bundeslandes zu einem Zeitpunkt, wo der Ministerpräsident des Bundeslandes besondere Spannungen mit seiner Kanzlerin in Berlin hat, musste als Parteinahme Österreichs in einem innerdeutschen Konflikt empfunden werden.“  Das wäre unterblieben, so Fischer, wenn es dazu einen „kurzen Kontakt zwischen allen Parlamentsfraktionen gegeben hätte“. Es wäre gut gewesen, mahnte Fischer.

Offenheit vermisst

Kritisch äußerte sich der ehemalige Bundespräsident auch zum Motto, das die Bundesregierung für den EU-Vorsitz gewählt hat. Es lautet „A Europe that protects“, „Ein Europa, das schützt“. Fischer: „Ich hätte mir ehrlich gesagt ein offensiveres und zukunftsorientiertes Motto erhofft, das Offenheit, Optimismus und ein Bekenntnis zum Europagedanken zum Ausdruck bringt“. So aber habe man ein Motto gewählt, das als Antwort auf ein von „Flüchtlingen bedrohtes Europa“ erscheine und den gedanklichen Weg zum Flüchtlingsthema so kurz wie möglich mache.

Dass der „Kampf“ gegen illegale Migration in den Vordergrund der Agenda gerückt werde, sei nicht nachvollziehbar, zumal „die Zahlen, die auf dem Tisch liegen, eine andere Sprache sprechen“. Zudem könne das Problem nicht durch Alarmismus, Dramatisierung, Emotionalisierung und „Kampf“ gegen Flüchtlinge gelöst werden, kritisierte das frühere Staatsoberhaupt.