Fast zwölf Monate Wahlkampf lassen auch bei der Austria Presse Agentur gar wunderliche Blüten treiben: So habe Norbert Hofer in den Konfrontationen bei Puls 4 und ATV an den letzten beiden Sonntagen die bislang unbeachteten Wortanteil-Duelle deutlich gewonnen. Der FPÖ-Kandidat verwendete beide Male deutlich mehr Worte als Alexander Van der Bellen, dafür kürzere. Gezählt hat das Medienbeobachtungsunternehmen APA-DeFacto.

Mag inzwischen auch alles gesagt, alles gefragt und ebenso viel analysiert worden sein, das finale Fernsehduell heute Abend in ORF 2 hat nichts von seiner Brisanz und dem entscheidenden Charakter verloren. Schon gar nicht für Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen. Denn es ist – im Falle einer Nichtanfechtung der Wahl vom 4. Dezember – die allerletzte Möglichkeit, vor Hunderttausendenden Österreichern aufzutreten und die letzten Unentschlossenen von sich zu überzeugen. Und angesichts des abermals knappen Rennens zwischen den beiden geht es nicht nur sprichwörtlich um jede Stimme.

Das letzte Duell im ORF im Mai sahen 1,26 Millionen Österreicher
Das letzte Duell im ORF im Mai sahen 1,26 Millionen Österreicher © ORF

Aber auch beim Publikum ist das Interesse am Kampf um die Hofburg nach wie vor hoch: So sahen das erste TV-Duell bei Puls 4 im Mai durchschnittlich 390.000 Österreicher, am 20. November waren es 456.000. In ORF 2 holte die Dokumentation "Die 2 im Porträt" am Dienstagabend immerhin 540.000 Zuschauer, obwohl seit dem ersten Wahldurchgang am 24. April kaum eine Woche vergangen ist, in der nicht zumindest einer der beiden irgendwo großflächig porträtiert wurde.

Wodurch sich heute bei Ingrid Thurnher Unentschlossene überzeugen lassen könnten, bringt Medienberater Peter Plaikner auf den Punkt: "Weniger durch die Kernzielgruppenbedienung, sondern vor allem durch zarte Signale in jene Mitte, die im ersten Wahlgang für Griss, Khol und Hundstorfer gestimmt hat." Politikexperte Peter Hajek sagt in Hinblick auf 20.15 Uhr: „Das Motto lautet ,Stay on the message‘. Mehr ist nicht drinnen – außer man hat noch einen ,Hammer‘ in petto. Die Erfahrung zeigt aber, dass das sehr selten der Fall ist.“

Hinsichtlich ihrer persönlichen Entwicklung seit Mai ortet Kommunikationsprofilerin Tatjana Lackner Vorteile bei Hofer: „Er ist sichtbar besser gekleidet. Das hat ihm sogar sein politischer Mitbewerber in einem Duell konstatiert. Hofer war zu Beginn des Wahlkampfes noch nicht so grau – dafür deutlich schlanker. Er ist heute kein Unbekannter mehr und genießt den Wahlkampf – trotz aller Strapazen – spürbar mehr als Alexander Van der Bellen.“ Beim 72-Jährigen stellt Lackner kaum positive Entwicklungen fest: „Immer noch unterbricht er sich selbst laufend, verkompliziert Sätze und gibt auf Entweder-oder-Fragen Sowohl-als-auch-Antworten. Außerdem redet er sich häufig in eine Wenn-dann-Schere und schafft damit wenig Klarheit.“

Schmutziger Wahlkampf "urban legend"

Seien es gegenseitige Anschüttungen vor laufender Kamera oder – schlimmer – in den sozialen Medien, unterschiedlich ist die Meinung der Experten hinsichtlich der Schmutzbilanz dieses langen Wahlkampfs. Peter Plaikner glaubt, dass man sich an untergriffige Wahlkämpfe gewöhnen müsse – vor allem nach der Erfahrung in den USA: „Der Zenit an Negativität wirkt in Österreich noch lange nicht überschritten.“ Peter Hajek hält die „ach so schmutzigen Wahlkämpfe“ der Gegenwart für eine „urban legend“. Seine Begründung: „Weil wir Menschen so vergesslich sind. Josef Klaus warb gegen Bruno Kreisky mit ,Ein echter Österreicher‘ und spielte damit auf Kreiskys jüdische Herkunft an. 1953 stellte die SPÖ die ÖVP als kapitalistischen Rentenklau mit Zylinder dar. Lassen wir die Kirche im Dorf. Wahlkämpfe sind eine ruppige Angelegenheit. Fix ist aber auch, dass die sozialen Medien keine Qualitätsverbesserung darstellen.“

Zurück zum Wortanteil-Duell, dessen letzter Akt heute Abend folgt: Der meistgenannte Begriff (bei Puls 4 und ATV) war bei Hofer und Van der Bellen derselbe: „Österreich.“