Normalerweise treffen sich die Abgeordneten hinter verschlossenen Türen, etwa im Vorfeld von Nationalratssitzungen, wo im kleinen Kreis über Psalmen sinniert wird, oder einmal im Jahr im größeren Rahmen mit Gästen und Vertretern der Glaubensgemeinschaften.

Die Idee, im Parlament Gebetskreise einzurichten, stammt aus Amerika, und es war der damalige ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka, der das Konzept nach Österreich holte, zahllose National- und Bundesräte, die gläubig sind, für die Idee begeistern konnte und das erste Parlamentarische Gebetsfrühstück 2017 in Wien organisierte.

200 Abgeordnete aus 27 Parlamenten aus aller Welt nahmen daran teil, unter Einbindung aller Religionsgemeinschaften, von den Katholiken bis zu den Moslems, erzählt Lopatka stolz. „Die Idee ist, dass man sich parteiübergreifend und unter Einbindung aller Religionsgemeinschaften trifft.“

Grün-Abgeordnete Moser als Mitstreiterin

Zu Lopatkas wichtigsten Mitstreitern zählten die ehemalige Grünen-Abgeordnete Gabriele Moser oder der einstige FPÖ-Mandatar Andreas Karlsböck. Auch der jetzige FPÖ-Chef Norbert Hofer war von Anfang an dabei. In den USA ist die Teilnahme am jährlichen „National Prayers Breakfast“ des US-Kongresses für jeden Präsidenten eine Pflichtveranstaltung, von Dwight D. Eisenhower über John F. Kennedy, Bill Clinton bis hin zu Barack Obama, Donald Trump.

In der Zwischenzeit hat die ÖVP-Abgeordnete Gudrun Kugler als Cheforganisatorin das Heft in die Hand genommen. Rund 40 ehemalige und aktuelle Abgeordnete gehören dem Gebetskreis an, mit auffällig starker türkiser und blauer Schlagseite. Wegen Corona wurde die  Gebetsstunde im heurigen Jahr – am Dienstag zu Maria Empfängnis – digital übertragen und damit öffentlich. Schon in den Tagen zuvor gingen in den sozialen Medien die Wogen hoch, die stellvertretende Parlamentspräsidentin Doris Bures empörte sich, dass das Parlament durch „religiöse Inszenierung“ vereinnahmt werde, einige SPÖ-Abgeordnete, darunter Peter Baxant, boykottierten die Veranstaltung.

Evangelischer Bischof sprach Gebet für 4000 Corona-Tote

Gastgeber war diesmal Parlamentspräsident Wolfgang Sobotka, die Impulsreferate hielten die ehemalige steirische Landeshauptfrau Waltraud Klasnic sowie der Gründer der Loretto-Gemeinschaft Georg Mayr-Melnhof, Kardinal Christoph Schönborn überbrachte Grußworte, der evangelische Bischof Michael Chalupka sprach ein Gebet für Österreichs 4000 Corona-Tote. Zu Wort kamen auch Wiens Oberrabbiner Jaron Engelmayer sowie Vertreter der orthodoxen Kirche, der Altkatholiken und der Kopten. Nicht eingeladen als Mit-Beter war die Islamische Glaubensgemeinschaft.

Kugler: "Dahinter steckt keine Absicht"

Aus Protest gegen die Nichteinladung der Muslime will die ehemalige Neos-Abgeordnete Irmgard Griss die Gebetsrunde, der sie angehört,  verlassen. „Ich will damit nichts mehr zu tun haben“, empört sich Griss im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. „Wenn man eine öffentliche Veranstaltung macht, müssen alle Religionen vertreten sind. Sonst verbindet man nicht, man spaltet.“ Gudrun Kugler versteht die Aufregung nicht. Dahinter stecke keine Absicht, leider säßen derzeit keine Muslime im Parlament, es hätte den zeitlichen Rahmen gesprengt.