Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj verdächtigt Russland eines geplanten Anschlags auf das Atomkraftwerk Saporischschja. Laut ukrainischen Geheimdienstinformation habe das russische Militär auf den Dächern mehrerer Reaktorblöcke des AKW Gegenstände platziert, "die Sprengstoff ähneln", sagte Selenskyj. Moskau dagegen sieht die Gefahr einer Sabotage seitens der Ukraine groß. Es würden Maßnahmen ergriffen, sagte Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow am Mittwoch.

Nach Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) hat Europas größtes AKW erneut den Anschluss an seine externe Hauptstromleitung verloren. Saporischschja sei daher auf die erst kürzlich wiederhergestellte Ersatzversorgung durch eine weniger leistungsstarke Leitung angewiesen, erklärte IAEA-Chef Rafael Grossi am Dienstagabend in Wien.

Hauptstromleitung unterbrochen

Die einzige verbliebene 750-Kilovolt-(kV)-Stromleitung – von vier vor dem Konflikt verfügbaren – sei am Dienstag um 01.21 Uhr (Ortszeit) unterbrochen worden. "Es war nicht sofort bekannt, was den Stromausfall verursacht hat und wie lange er dauert", so die IAEA weiter. Der Strom werde beispielsweise zum Pumpen von Kühlwasser für die Anlage benötigt. "Diesmal konnte das Kraftwerk einen völligen Ausfall der gesamten externen Stromversorgung vermeiden – was bereits siebenmal während des Konflikts vorgekommen war –, aber die jüngste Stromleitungsunterbrechung verdeutlicht erneut die prekäre nukleare Sicherheitslage im Kraftwerk", so Grossi.

Ukraine kritisiert Vorgehen der IAEA

Die Ukraine kritisierte unterdessen die IAEA wegen ihres Umgangs mit dem russisch besetzten Atomkraftwerk Saporischschja. Mit Blick auf IAEA-Chef Grossi sagte der Berater des Präsidentenbüros, Mychajlo Podoljak: "Der Mensch ist absolut unwirksam beim Management des Schlüsselrisikos." Die IAEA habe "klare Einflusshebel" auf Russland, sagte er in der Nacht auf Mittwoch im ukrainischen Nachrichtenfernsehen. Druck auf den staatlichen Atomkonzern Rosatom hätte einen Abzug der Russen und eine Minenräumung erzwingen können, argumentierte er.

Podoljak sprach dabei von einer "Clownerie" und bezeichnete Grossi als "dieser Mensch" und "das Subjekt Grossi". Die Ukraine warnt seit fast zwei Wochen vor einem angeblich von Russland vorbereiteten Terroranschlag auf das AKW. Moskau hatte am Dienstag wiederum Kiew vorgeworfen, das Atomkraftwerk mit Raketen und Kamikazedrohnen angreifen zu wollen, um einen atomaren Unfall zu verursachen.

Russland wirft Ukraine Anschlagspläne vor

Renat Kartschaa, Berater des Chefs der russischen Atomenergiebehörde Rosenergoatom, behauptete am Dienstag im Staatsfernsehen, die ukrainischen Streitkräfte würden bereits in der Nacht auf Mittwoch versuchen, das AKW mit Raketen und Drohnen anzugreifen. Demnach soll nicht nur das AKW beschossen werden, sondern auch zeitgleich eine mit Atomabfällen bestückte Bombe abgeworfen werden. Beweise für die Anschuldigung brachte der hochrangige Moskauer Beamte nicht vor.

Russische Truppen haben kurz nach Beginn des von Kreml-Chef Wladimir Putin befohlenen Angriffskriegs gegen die Ukraine das AKW Saporischschja besetzt und halten es seither unter Kontrolle. Mehrfach ist die Anlage unter Beschuss geraten, wofür sich beide Kriegsparteien gegenseitig verantwortlich machen. International ist die Sorge vor einer Atomkatastrophe groß – auch wenn das Kraftwerk inzwischen in den Kaltbetrieb versetzt wurde.