Cherson – das ist eine Region mit gleichnamiger Hauptstadt im Süden der Ukraine, am Mündungsdelta des Dnipro; dort, wo der mächtige Fluss ins Schwarze Meer fließt. Ein Archipel und Naturparadies; einst ein wichtiger Hafen für die Schwarzmeerflotte mit großer Werft. Zur russisch besetzten Halbinsel Krim fährt man von hier zwei Autostunden. Von dort aus kamen auch die Eroberer: Seit Anfang März ist nun Cherson von der russischen Armee besetzt. Doch obwohl es hier weniger militärische Kampfhandlungen gibt, kann man keineswegs von Frieden sprechen.
"Sie haben eine Angstherrschaft errichtet", sagt Daniil, politischer Aktivist aus Cherson (Name aus Sicherheitsgründen geändert). "Aber es wird ihnen nicht gelingen, uns umzupolen, uns davon zu überzeugen, unser Land wieder zur Sowjetunion zu machen".
Von den ursprünglich rund 300.000 Einwohnern der Stadt ist rund die Hälfte nicht mehr da – die meisten von ihnen sind geflohen; mehrere Hundert – so schätzen Menschenrechtler – sollen von den Besatzern verhaftet oder entführt worden sein. "Für mich ist klar, dass sie mit 'schwarzen Listen' in unsere Stadt kamen – mit Listen von ukrainischen politischen Aktivisten und von Veteranen des russisch-ukrainischen Krieges 2014", sagt Daniil. Ganz gezielt seien deren Wohnungen aufgesucht und durchsucht worden. Viele dieser Menschen seien verschwunden.