Im kleinen Hafen von Gaza wartete schon das Empfangskomitee. Rund 40 flaggengeschmückte kleine Boote mit Hamas-Vertretern und Aktivisten schaukelten auf den Wellen, Pfadfinder musizierten, am Strand stiegen Luftballons auf. Am Montagnachmittag sollte der Konvoi aus sechs Schiffen mit Hilfsgütern und rund 700 pro-palästinensischen Aktivisten im abgeriegelten Gazastreifen eintreffen, allen Warnungen Israels zum Trotz. "Die werden uns mit Gewalt aufhalten müssen", sagte Huwaida Arraf, eine der Organisatoren, beim Aufbruch in der Nähe von Zypern am Sonntag. Genauso kam es.

Mankell in Gewahrsam

Vor Morgengrauen brachten israelische Kriegsschiffe den Konvoi 130 Kilometer vor Gaza auf - in internationalen Gewässern. Kommandoeinheiten enterten die Schiffe, Schüsse fielen. Mindestens zehn Aktivisten wurden nach israelischen Angaben getötet, mehrere Dutzend Menschen verletzt. Mit an Bord eines der Schiffe war auch der schwedische Krimiautor Henning Mankell. Der Autor befand sich Montagabend gemeinsam mit vier weiteren prominenten Aktivisten aus Schweden in Gewahrsam der israelischen Armee in der Hafenstadt Ashdod. Mankell und seine Mitstreiter seien vor die Wahl gestellt worden, Israel mittels "freiwilliger Deportation" sofort zu verlassen oder ebenfalls ins Gefängnis zu gehen, so ein Sprecher.

Israel will Schaden begrenzen

Was sich genau abspielte, war angesichts der widersprüchlichen Angaben zunächst unklar. Israel wollte am Montag den Schaden begrenzen. Die Soldaten seien an Bord fast gelyncht worden und hätten geschossen, um ihr Leben zu retten, sagte Verteidigungsminister Ehud Barak. Man habe Gewalt vermeiden wollen, sagte Barak und wies darauf hin, dass fünf der Schiffe ohne Zwischenfälle aufgebracht worden seien. Der Kommandant der Marine Eli Marom sagte, man habe den Einsatz wochenlang geprobt.

Aus ersten Berichten erwächst jedoch der Eindruck, dass die Armee nur unzureichend vorbereitet war. Laut ersten Presseberichten hatte eine Spezialeinheit der Polizei, die auf den Umgang mit Zivilisten spezialisiert ist, es abgelehnt, das Schiff zu stürmen. Die Soldaten kennen aber hauptsächlich den Umgang mit Schusswaffen. Um 4:23 Uhr morgens seilten sich die Elitesoldaten der Flottille 13 von Hubschraubern aufs Deck ab. Sie hatten Anweisung, ihre Schusswaffen nur im Notfall einzusetzen. Um Schusswechsel zu vermeiden, waren sie mit Paintballgewehren ausgerüstet, die Farbkugeln verschießen. Zudem trugen sie Pistolen.

Auf Bildern, die die Armee veröffentlichte, war zu sehen, dass der Empfang an Bord nichts mit dem "gewaltlosen Widerstand" zu tun hatte, den die Organisatoren des Konvois angekündigt hatten. Kleine Gruppen von Aktivisten stürzten sich auf jeden Soldaten, der an Deck landete, und traktierten sie mit Messern, Eisenstangen und schossen aus Schleudern Glasmurmeln. Ferner sollen Aktivisten den Soldaten ihre Handfeuerwaffen entrissen und mindestens zwei Magazine leergeschossen haben. Mindestens zehn Soldaten sollen so verletzt worden sein, einer davon schwer durch eine Schusswunde. "Ich schoss, weil ich um mein Leben fürchtete", sagte ein Soldat der Presse.

Scharfe Reaktionen

Heftig waren die Reaktionen auf den gestrigen Vorfall. "Wir sehen, dass es keinen Zweck hat, mit Israel über Frieden zu verhandeln", sagte der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Moussa. Russland kritisierte "den Gebrauch militärischer Gewalt". Die EU forderte eine Untersuchung des Militäreinsatzes. Einen solchen forderte auch US-Präsident Barack Obama, der Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu in den nächsten Tagen treffen sollte. Netanjahu sagte das Treffen von sich aus ab.