Israel hat die Aufnahme Palästinas durch die UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Unesco) mit ersten Strafmaßnahmen quittiert. Ministerpräsident Benjamin Netanyahu ordnete am Dienstagabend den Bau von 2.000 neuen Wohnungen in Ost-Jerusalem, Gush Ezion und der Siedlerstadt Maale Adumim an. Außerdem hat Israel den Transfer von Geldern in Millionenhöhe, die den Palästinensern zustehen, vorerst gestoppt. Ein Regierungsvertreter, der namentlich nicht genannt werden wollte, sagte nach einer Ministersitzung, diese Entscheidung gelte bis zu einem endgültigen Beschluss in den kommenden Tagen.

Israel ist zornig darüber, dass Palästina in eine der wichtigsten UN-Organisationen aufgenommen wurde, obwohl es einen solchen Staat in der Realität noch gar nicht gibt. Israel und die USA stehen weiter auf dem Standpunkt, dass ein Palästinenserstaat nur als Ergebnis von Friedensverhandlungen entstehen kann.

Mit den Strafmaßnahmen will der jüdische Staat seine Missbilligung deutlich machen. Ein Austritt Israels aus der Unesco gilt jedoch als sehr unwahrscheinlich, weil er ein klares Eigentor wäre. "Wenn wir jetzt austreten, lassen sie uns vielleicht nie wieder rein", sagte ein israelischer Repräsent am Dienstag angesichts der wachsenden internationalen Isolation Israels.

Israel ist seit 1949 Mitglied der Unesco. In den vergangenen zehn Jahren hat die Organisation mehrere Stätten in dem Land am östlichen Mittelmeer auf ihre Liste des Weltkulturerbes gesetzt: Die Bahai-Gärten, Masada, die Altstadt von Akko, die Bauhaus-Gebäude in Tel Aviv, die Weihrauchstraße sowie die biblischen Hügel wie Megiddo und Beerschewa. Die Altstadt und die Mauer von Jerusalem, die sowohl Israel als auch die Palästinenser als ihre Hauptstadt beanspruchen, hat Unesco 1982 auf die Liste gefährdeten Weltkulturerbes gesetzt.

Knapp 20 weitere Stätten in Israel stehen auf einer vorläufigen Liste des Weltkulturerbes. Für das Land, in dem historische Stätten einen wichtigen Teil des touristischen Reizes ausmachen, hat die Unesco-Liste eine große Bedeutung. "Unesco ist sehr wichtig für uns", erklärte der israelische Repräsentant.

Nach der Aufnahme Palästinas am Montag teilte Israels Außenministerium aber mit, man werde die weitere Kooperation mit der Unesco neu überdenken. Der israelische Finanzminister Juval Steinitz sprach sich am Dienstag dafür aus, die Beitragszahlungen Israels zu stoppen. In dem Fall könnte Israel allerdings künftig nicht an Abstimmungen in der Unesco teilnehmen. Damit wäre es gegenüber den Palästinensern klar im Nachteil.

Für die Palästinenser ist die Aufnahme durch die Unesco auf jeden Fall ein wichtiger Punktsieg über Israel. "In der Unesco wurde der Palästinenserstaat geboren", schrieb die israelische Zeitung "Yediot Achronot" am Dienstag. Israel sieht die Entscheidung der Unesco als mögliche Generalprobe für die Abstimmung des UN-Sicherheitsrats über die Vollmitgliedschaft eines Palästinenserstaates. Es gilt allerdings als sicher, dass die USA dort im Notfall Veto einlegen würden.

Ein ganz besonders wichtiger Aspekt des Eintritts der Palästinenser in die Unesco ist die Frage der umstrittenen Kulturstätten im Westjordanland. Sowohl Israel als auch die Palästinenser beanspruchen dort mehrere heilige Stätten wie die Patriarchengräber in Hebron und das Grab der Rachel bei Bethlehem als ihr Kulturerbe. Im Oktober 2010 hatte der Exekutivrat der Unesco bereits betont, die Patriarchengräber und das Grab der Rachel seien integraler Bestandteil der besetzten Palästinensergebiete. Jede einseitige israelische Aktivität werde als Verletzung internationalen Rechts gewertet.

Zu Jahresbeginn hatte die Palästinenserbehörde den Antrag gestellt, die Geburtskirche in Bethlehem, die Christen aus aller Welt als Geburtsort Jesu verehren, sowie den dorthin führenden Pilgerpfad auf die Liste des Weltkulturerbes zu setzen. Dies wurde jedoch zunächst zurückgewiesen, mit der Begründung, die Palästinenser hätten keinen eigenen Staat. Nach ihrer Aufnahme in den Unesco-Club wollen die Palästinenser jedoch neue Anträge stellen. Sie dürften bei ihren Bemühungen deutlich bessere Karten haben.