Die Waffen schweigen, in Gaza regt sich wieder Leben. Doch das Ausmaß der Kriegszerstörungen wird nun erst richtig sichtbar. Schock und Traumatisierung haben die Menschen gezeichnet.

Seit Dienstagmorgen schweigen im fast einmonatigen Gazakrieg die Waffen. Die Menschen wagen sich wieder aus ihren Häusern oder Notunterkünften. Die ersten Marktstände mit frischem Obst, die ersten Tankstellen, die Benzin verkaufen, die ersten Straßen, in denen sich Autos stauen, erwecken den Anschein zurückkehrender Normalität.

Doch das Bild trügt. Wer mit den Menschen spricht, die diesen Krieg durchgemacht haben, stößt auf Schock, Traumatisierung, hilflose Wut. "Die letzten zweieinhalb Wochen, seit die israelische Bodenoffensive begonnen hat, habe ich keine Nacht geschlafen", sagt Ahmed, der Taxifahrer, der einen Reporter der Nachrichtenagentur dpa vom Grenzübergang im Norden der Palästinenser-Enklave in die Stadt Gaza fährt.

Von den durchwachten Bombennächten sind Ahmeds Augen gerötet. Draußen zieht sein Heimatort Beit Hanun vorbei - Haus um Haus zerstört von Fliegerbomben oder von Granaten. Nahe an der Grenze zu Israel hat die Bodenoffensive besonders heftig gewütet.

Noch schlimmer hat es den östlichen Stadtteil Sajaya in der Stadt Gaza getroffen. Auch dieses Gebiet des kaum 40 Kilometer langen und zehn Kilometer breiten Gazastreifens liegt praktisch in Sichtweite zur israelischen Grenze. Ganze Straßenzüge sind hier in Schutt und Asche gelegt.

Ashraf Dueima (28) brach am Dienstag - wie viele andere Bewohner Sajayas - erstmals nach Hause auf. Als am 17. Juli Israel die Bodenoffensive begann, rettete sich seine Familie in eine der UN-Schulen. Auf engstem Raum stellten sie Notunterkünfte für über 250 000 Kriegsflüchtlinge bereit.

Von dem dreistöckigen Wohngebäude in der Bagdad-Straße ist nicht mehr übrig geblieben als eine Trümmerhalde. Mit zwei Verwandten stochert Dueima in dem Schutt, um nach Brauchbarem aus dem ehemaligen Hausstand zu suchen. Ein paar Matratzen, Decken, Kochtöpfe und einen wie durch ein Wunder funktionsfähig gebliebenen Kühlschrank hat er in seinen Kombi-Wagen gepackt.

Immer wieder blickt der Uhrenverkäufer und Vater von vier Kindern ungläubig zu der Schuttruine, die bis vor kurzem sein Heim war. "Was soll ich von einer Waffenruhe halten? Das hat Israel getan. Wie kann ich Israel vertrauen?" Die Palästinenser von Gaza seien dazu verurteilt, auf Raten zu sterben. "Kein Strom, kein Wasser, kein Heim, kein Leben in Würde", entfährt es ihm bitter.

Auch in der Innenstadt von Gaza ist, trotz wieder aufkommender Geschäftigkeit, das Gemüt der Menschen verdüstert. Der 37-jährige Ali Bassem betreibt einen Laden für Haushaltsbedarf. Der strotzt von Waren - nicht weil Israel plötzlich die Beschränkungen für den Güterverkehr gelockert hätte, sondern weil in Zeiten wie diesen niemand etwas kauft.

"Die Leute geben ihr Geld nur für die nötigsten Lebensmittel aus. Ich wiederum habe nur Ausgaben und keine Einnahmen", klagt Bassem. "Dieser Krieg hat mich 15 000 Dollar gekostet."

Auch die Lehrerin Rim Attala, die an dem Laden vorbeigeht, kauft derzeit nicht bei ihm ein. "Das war die schrecklichste Zeit meines Lebens", sagt sie zu den Wochen in ständiger Angst vor Bomben- und Granatentreffern. Jetzt hofft die Mutter von fünf Kindern inständig, dass die auf drei Tage befristete Waffenruhe zum Dauerzustand wird. "Was wir erlebt haben, ist einfach genug."