Für uns gibt es keine Vorwarnzeit", sagt Raji Sourani aus Gaza-Stadt. "Wir erfahren von Luftangriffen durch keine Sirene, sondern durch Explosionen." Seit Wochen kann der palästinensische Menschenrechtler nicht schlafen: "Dauernd donnern Explosionen, dass die Fensterscheiben zittern. Es rüttelt an den Nerven, weil man nie weiß, wo die nächste Bombe einschlagen wird." Dabei ist nicht einmal ein Direkttreffer nötig, um Schaden anzurichten: "Die meisten Verletzten, die ich kenne, wurden von Schrapnellen oder Glassplittern getroffen", sagt der 60-Jährige. "Wir können nirgends hin. Wenn die Bomben fallen, beginnt unsere Form von russischem Roulette: Wir können nur hoffen, dass es uns nicht trifft".

Selbst Familien mit Kindern müssen den Krieg in ihren Wohnzimmern überstehen: "Es gibt keinen sicheren Ort", sagt Hammad, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung sehen will. "Es wird immer geraten, sich ins Treppenhaus zu flüchten, aber die israelischen Bomben machen ganze Mehrfamilienhäuser dem Erdboden gleich", sagt Hammad, der mit seiner Frau und zwei Söhnen im dritten Stock eines Hauses in Gaza wohnt. Den 40-Jährigen beruhigt es kaum, dass Israels Luftwaffe sich bemüht, nur bestimmte Personen präzise auszuschalten. Er weiß zudem, dass die Hamas ihre Raketen von Wohngebieten abschießt, und diese so in Angriffsziele der Israelis verwandelt. "Der Gazastreifen ist einer der am dichtesten besiedelten Landstrich der Erde", sagt Hammad.

"Warum passiert das alles?"

Er will nur seine Söhne schadlos durch diese Krise bringen. Jedes Mal, wenn draußen die Feuerbälle dröhnend in den Himmel steigen, bekommen seine Söhne Angst: "An Schlaf kann niemand denken. Selbst wenn sie in ihren Betten sind, starren sie die ganze Nacht die Decke an", erzählt Hammad. Wenn es kracht, "besteht mein Großer darauf, dass wir alle zusammen sind." Er versucht, ihn mit Ritualen zu beruhigen. "Manchmal hilft das", sagt Hammad. An den sechs Stunden, an denen es Strom gibt, macht er den Fernseher an. Doch seine Kinder lassen sich nicht ablenken: "Sie wollen die Nachrichten sehen, wollen verstehen, warum das alles passiert." Sein Ältester bohrt ihn mit Fragen: "Haben die Israelis auch Kinder? Haben sie auch Angst? Leiden sie wie wir", will der Zehnjährige wissen.

So hoffnungslos die Lage scheint: Hammad und Sourani denken nicht daran, ihre Heimat zu verlassen: "Wir sind Teil dieses Lands, meine Familie hat tiefe Wurzeln hier", sagt Sourani. Hammad will den Israelis eine Botschaft übermitteln: "Sie sollten wissen, dass hier nicht alle Militante sind. Rund 52 Prozent der Bewohner Gazas sind Kinder. Sie brauchen Bildung, und eine bessere Zukunft. Das sollten sie bedenken, bevor sie hier ihre Bomben abwerfen", sagt er.