Premier Benjamin Netanjahu hatte es schwer den Beginn der Friedensgespräche durchzusetzen. Denn der Preis dafür wird von rund 90 Prozent der Israelis abgelehnt: Als "vertrauensbildende Maßnahme" soll Israel in den kommenden neun Monaten 104 palästinensische Langzeithäftlinge freilassen. Die ersten 26 werden am Dienstag entlassen. "Wie kann eine Freilassung von Mördern den Frieden näherbringen?", empörte sich Bauminister Uri Ariel von der rechtsnationalen Partei "das jüdische Haus".

Auch Netanjahus eigene, Siedler-freundliche Likud Partei ist über die Freilassung gespalten. Wohl auch deswegen gab der Premier nach mehr als einem halben Jahr, in dem er den Siedlungsbau im Westjordanland drastisch eingeschränkt hatte, neuen Bauvorhaben grünes Licht. Solche Beschlüsse zeigten, dass Israel "es mit Frieden nicht ernst meint", sagte einer der beiden palästinensischen Verhandlungsführer Muhammad Schtaye. Auch den USA stieß der Beschluss auf: Man akzeptiere "die Legitimität andauernden Siedlungsbaus keineswegs", heißt es aus Washington.

Wohl in Erwartung der Proteste hatte Netanjahu einen Protestbrief an US-Außenminister John Kerry geschickt, in dem er sich über die "andauernde Volksverhetzung gegen Israel" beschwerte. Darin zitierte er Beispiele, in denen offizielle palästinensische Medien, trotz der Wiederaufnahme von Verhandlungen, zur Vernichtung Israels aufriefen. So könne kein Vertrauen entstehen. Palästinenser wiesen die Vorwürfe umgehend zurück. Trotz allem sollen die Gespräche nach mehr als drei Jahren Stillstand im King David Hotel in Jerusalem wieder aufgenommen werden.

Der Dauerkonflikt

Die Nadelstiche auf beiden Seiten zeigen, wie schwierig es ist, eine Grundlage für Verhandlungen zu schaffen. Die Bemühungen um Frieden in Nahost dauern seit Jahrzehnten an. Vor Kerry haben sich bereits zwölf US-Außenminister bemüht, eine Einigung zwischen Palästinensern und Israelis zu erreichen.

Auch die Vereinten Nationen haben zum Konflikt zwischen Israel und der arabischen Welt seit 1947 eine Reihe von Resolutionen verabschiedet. Im November 1947 hat die UN-Vollversammlung die Teilung des Völkerbundmandats Palästina nach britischem Vorschlag in einen jüdischen und einen arabischen Staat beschlossen. Damit begannen die bewaffneten Auseinandersetzungen, die zu insgesamt fünf Nahost-Kriegen führten.

Eine wesentlichste Rolle für den Konflikt spielt dabei die UN-Resolution 242 von 1967. Eine bis heute umstrittene Formulierung fordert den Rückzug Israels aus (den) besetzten Gebieten. Während sich Palästinenser und arabische Staaten an die französische Fassung hielten, die von "den Gebieten" sprach, bezogen sich die USA und Israel auf die englische Übersetzung, die den Rückzug "aus Gebieten" fordert. Israel akzeptierte die Resolution unter der Voraussetzung, dass nicht alle Gebiete gemeint seien. Die arabischen Staaten akzeptierten sie in der Interpretation, dass alle Gebiete gemeint seien.

Bei den Verhandlungen sollen nun alle Kernprobleme auf den Tisch kommen. Dazu zählen die Grenzziehung, der Siedlungsbau, das Schicksal der palästinensischen Flüchtlinge und die Zukunft Jerusalems. Die Nahost-Experten sich sich weitgehend einig: Die Erfolgsaussichten der Verhandlungen sind äußerst gering. Vielleicht aber ist genau das diesmal die große Chance.