Heute wälzt man zur Landeskunde nur noch selten Atlanten und auch auf Städtetrips fällt der früher obligatorische Besuch bei der Touristeninformation aus, um einen Stadtplan zu ergattern. Längst navigiert man mit dem Smartphone durch Metropolen wie Jakarta oder Kleinstädte wie Hartberg – in der Regel mit Kartenmaterial von Google, Apple oder Bing.
Der in China beliebteste Kartenanbieter ist Baidu Maps, der zur marktführenden Suchmaschine Baidu gehört. Etwas schwerfällig, aber schließlich zuverlässig, findet Baidu sogar die Adresse der Kleinen Zeitung am Grazer Gadollaplatz.
Landesbezeichnung fehlt
Tippt man „Israel“ in das Suchfeld ein, wird man immerhin in die richtige Region gebracht und auch die Landesgrenzen sind eingezeichnet – ebenfalls jene zu den Palästinensergebieten. Was jedoch bei genauerem Hinsehen auffällt, ist das Fehlen der Landesbezeichnung. Zwar sind Städte wie Tel-Aviv und Jerusalem zu erkennen, doch von „Israel“ keine Spur. Anders im Fall der Nachbarländer Libanon, Syrien, Jordanien und Ägypten.
Dass es sich hierbei um keinen Zufall handeln dürfte, liegt auf der Hand. Vielmehr scheint Peking zu versuchen, seine ambivalente Haltung im Nahostkonflikt nicht zu kompromittieren. Baidu ist auch deshalb Marktführer in China, weil Google gesperrt ist. Das letzte Wort, wie der Internet-Riese aus Fernost seine Karten aufbereitet, hat demnach die kommunistische Partei.
Nachforschungen haben ergeben, dass Israel bereits seit 2021 nicht mehr auf chinesischen Karten erwähnt wird. Die „Times of Israel“ vermutet dahinter eine Strategie, um in der arabisch-muslimischen Welt für Sympathie zu werben. Denn just in jenem Jahr richteten sich wegen Chinas Umgangs mit der ethnischen Minderheit der Uiguren, die dem Islam angehören, vermehrt Protest- und Empörungswellen gegen das Reich der Mitte.
Landkarten dienen nicht nur zur Orientierung, sie spiegeln immer auch politische Interessen, Macht und Herrschaftsverhältnisse wider. Wo und wann eine Karte über eine Region angefertigt wurde, erzählt meist auch eine Geschichte dahinter. Ob sie dabei mit der Tintenfeder auf Papier gezeichnet wurde oder auf einem Bildschirm aufleuchtet, spielt dabei keine Rolle.