Es geht nicht um Taktik, es geht nicht um Farbenspiele“, heißt es im Wahlprogramm der Liberalen. Wenn’s nur so einfach wäre. Am 26. September wählt Deutschland. Die Entscheidung ist spannend wie selten. Die SPD hat die Union knapp überflügelt. Eines zeichnet sich schon ab: In Deutschland könnte erstmals ein Bündnis aus drei politischen Kräften regieren, wenn man CDU und CSU als eine Gruppierung auffasst. Jamaika, Ampel, Deutschland-Koalition – das Land übt sich in einer neuen politischen Farbenlehre. Ein Blick auf mögliche Bündnisse und ihre Wahrscheinlichkeiten:

Rot-Rot-Grün

Rot-Rot-Grün – auch kurz R2G genannt – klingt knackig, gestaltet sich aber kompliziert. SPD, Linke und Grüne liegen in sozialpolitischen Fragen nicht weit auseinander, etwa bei der Erhöhung des Mindestlohns. Auch in der Klimapolitik ließe sich eine Übereinkunft finden.
Entscheidende Bruchlinie ist die Außenpolitik. Die Linke will raus aus der Nato und lehnt Auslandseinsätze der Bundeswehr strikt ab. Selbst der Rettungsmission aus Kabul mochte die Fraktion (mit einer Ausnahme) nicht zustimmen. SPD-Kanzlerkandidat Scholz stellte klar, er werde nur eine Regierung bilden, bei der sich alle „zur Verpflichtung, die wir mit der Nato gemeinsam einzugehen haben, bekennen“. Auch Grünen-Bewerberin Annalena Baerbock rückte von der Linken ab. Rot-Rot-Grün funktioniert in Bremen geräuschlos, in Thüringen regiert sogar ein Linker-Ministerpräsident. Als „Chance für Deutschland“ sieht Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch R2G, doch wird so ein Bündnis auf Bundesebene schwierig.

Die (rote) Ampel

Die Ampel – lange auch rote Ampel genannt – wäre eine Wunschkonstellation für den Pragmatiker Olaf Scholz. SPD, Grüne und FDP regieren bereits seit 2012 in Rheinland-Pfalz sehr erfolgreich. Der schneidige FDP-Generalsekretär Volker Wissing, zuvor dort Wirtschaftsminister, kokettiert mit einem solchen Bündnis für den Bund. „Es ist keine Frage, dass die Person Olaf Scholz keine unüberbrückbare Koalitionshürde wäre“, gab FDP-Vize Wolfgang Kubicki zu Protokoll. Scholz umgarnt FDP-Chef Lindner, doch für den gilt: Bedenken first, Ampel second. Zu ungeliebt sind die Grünen, zu groß die rot-grün-gelben Differenzen in der Steuerpolitik. Und Lindner hat ein anderes Problem. „Der Anteil der Stammwähler bei den Liberalen ist klein, der Anteil der taktischen Wähler ist groß“, analysiert der einstige CDU-Vize und heutige Chef der Ludwig-Erhard-Stiftung Roland Koch. Im Klartext: Die FDP sammelt enttäuschte Unionswähler, die wünschen keinen Wechsel ins Mitte-Links-Lager. Lindner könnte eine Ampel nur mit sehr viel Staatsräson begründen, sprich bei einem sehr schwachen Ergebnis der Union.

Jamaika

Jamaika, ein Bündnis aus Union, Grünen und FDP, zeichnete sich schon vor vier Jahren ab. „Ich hätte mir das gewünscht“, gestand der einstige CDU-Grande Roland Koch: „Ein solches Bündnis verkörpert Stabilität, ökologischen Aufbruch und wirtschaftliche Modernisierung.“ Lindner stoppte das Experiment damals. Vor allem wegen Angela Merkel. Die Liberalen machten die Bundeskanzlerin für ihren Abschied aus dem Bundestag 2013 mitverantwortlich, nun mochten sie nicht deren Rettungsanker als Mehrheitsbeschaffer für das schwarz-grüne Projekt werden. Mit Unionsfrontmann Armin Laschet versteht sich Lindner prächtig, beide verhandelten in Nordrhein-Westfalen bereits erfolgreich eine Koalition. Selbst über Ministerposten stritt FDP-Chef Lindner schon öffentlich und brachte sich gegen den Grünen Robert Habeck als potenzieller Finanzminister in Stellung. Doch haben alle Überlegungen ein Problem: die Umfragen. Die Union schwächelt.

Deutschland-Koalition

Deutschland-Koalition heißt ein schwarz-rot-gelbes Bündnis aus Union, SPD und FDP. Gerade wurde es in Sachsen-Anhalt vereinbart. Doch sind die Konstellationen dort anders, die Union ist klar stärkste Kraft. Im Bund scheint bei fast gleicher Stärke schwer vorstellbar, dass SPD oder Union als Juniorpartner in eine solche Regierung gehen. Fazit: Die Koalitionsfrage wird also schwierig.