Nach der Klagsankündigung Italiens gegen Österreich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) wegen der Tiroler Anti-Transit-Maßnahmen verschärft der italienische Verkehrsminister Matteo Salvini den Druck auf die Regierung in Wien. "Am kommenden Montag werde ich am Brennerpass sein", kündigte Salvini am Dienstag bei der Bahnmesse "Expo Ferroviaria" in Mailand an. Am 9. Oktober plant der Lega-Chef zudem auch einen Wahlkampfauftritt in Bozen.

Salvini: "Österreich blockiert in arroganter Weise"

In Südtirol wie auch im Trentino finden am 22. Oktober Landtagswahlen statt. Salvini plant offenbar drei Wahlkampfauftritte in Südtirol. Den letzten am 20. Oktober, zwei Tage vor der Wahl. "Italien und Österreich arbeiten gemeinsam am Brenner-Eisenbahntunnel zusammen, aber Österreich blockiert in einseitiger, unerklärlicher und arroganter Weise und unter Missachtung jeglicher europäischen Vorschriften den Transit für italienische Unternehmen und Lastwagen", polterte der Verkehrsminister, der auch Vizepremier ist, am Dienstag unterdessen einmal mehr in Sachen Transit.

Laut Artikel 259 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) kann jeder EU-Mitgliedstaat den EuGH anrufen, wenn er der Auffassung ist, dass ein anderes Mitglied gegen eine Verpflichtung aus den Verträgen verstoßen hat, hatte Salvini vergangene Woche betont. Bevor ein Mitgliedstaat wegen einer angeblichen Verletzung der Verpflichtungen aus den Verträgen gegen einen anderen Staat Klage erhebt, muss allerdings die EU-Kommission damit befasst werden. Die Kommission erlässt eine mit Gründen versehene Stellungnahme und gibt den beteiligten Staaten zuvor Gelegenheit zu schriftlicher und mündlicher Äußerung in einem kontradiktorischen Verfahren. Gibt die Kommission binnen drei Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem ein entsprechender Antrag gestellt wurde, keine Stellungnahme ab, so kann ungeachtet des Fehlens der Stellungnahme vor dem Gerichtshof geklagt werden.

Gewessler: "Salvini ist die Situation der Tiroler egal"

Österreichs Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) hatte auf die Klagsankündigung Salvinis vor zwei Wochen gegenüber der APA scharf reagiert. "Die Situation der Menschen in der gesamten Region Tirol ist ihm offenbar egal", meinte die Ministerin. "Solange seine Frächterlobby Gewinn macht", ergänzte sie. Gewessler zeigte sich aber auch gelassen: "Die Tiroler Notmaßnahmen gibt es aus einem guten Grund. Sie schützen die Tirolerinnen und Tiroler. Für mich ist klar: Wenn wir weiterkommen wollen, müssen wir die Bevölkerung ernst nehmen."

In Sachen Transit hatte EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen (CDU) zuletzt versucht, in dem Dauerkonflikt "ein letztes Vermittlungsgespräch" anzubieten. Das zugrunde liegende Problem könne nur "gemeinsam" mit den drei beteiligten Ländern Österreich, Deutschland und Italien gelöst werden, sagte die Kommissionspräsidentin.

Der Transitkonflikt nahm in den vergangenen Monaten stetig an Schärfe zu. Vor allem Salvini agitiert beständig mit Drohgebärden und heftiger Kritik gegen die Tiroler Anti-Transit-Maßnahmen wie Sektorales Fahrverbot, Nachtfahrverbot und Ähnliches. Der italienische Verkehrsminister forderte die EU-Kommission sogar offiziell auf, deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich einzuleiten. Seinen deutschen Amtskollegen Volker Wissing (FDP) hatte er mit im Boot, was die Kritik an Fahrverboten und transiteinschränkenden Maßnahmen betrifft.

Einigung zwischen Tirol, Südtirol und Bayern

Auf regionaler Ebene hatte es dagegen im heurigen Jahr an der Transitfront eine Einigung gegeben. Die Landeschefs von Bayern, Tirol und Südtirol – Markus Söder (CSU), Anton Mattle (ÖVP) und Arno Kompatscher (SVP) – hatten im April in Kufstein öffentlichkeitswirksam eine politische Vereinbarung über ein "Slot-System" mit buchbaren Lkw-Fahrten auf der Brenner-Strecke präsentiert.

Für ein solches digitales, grenzüberschreitendes Verkehrsmanagement müsste aber ein Staatsvertrag zwischen Österreich, Deutschland und Italien abgeschlossen werden. Ein solcher ist in weiter Ferne. Denn Salvini zeigte sich bisher strikt ablehnend – er will erst darüber reden, wenn die transiteinschränkenden Maßnahmen und Fahrverbote aufgehoben werden. Auch Deutschland reagierte sehr reserviert. Die Tiroler Landesregierung aus ÖVP und SPÖ betonte unterdessen stets, an ihren Maßnahmen festhalten zu wollen, solange es nicht eine große europäische Lösung gebe, die dem überbordenden Transitverkehr Einhalt gebietet.