Der Blick auf den Tatort der tödlichen Schusswechsel blieb den lokalen Berichterstattern im überwiegend serbisch besiedelten Nordkosovo zu Wochenbeginn verwehrt: Gepanzerte Polizeifahrzeuge riegelten am Tag nach der blutigen Eskalation der Gewalt in Kosovo alle Zufahrtswege in das Dorf Banjska ab.

Polizist erschossen, ins Kloster geflüchtet

Heftige MG-Salven hatten die verschreckten Einwohner des 350-Seelen-Weilers unweit von Zvečan in der Nacht zum Sonntag aus dem Schlaf gerissen. Erst hatten uniformierte Maskenträger einen albanischen Angehörigen der Kosovo-Polizei an einer Straßenblockade erschossen und zwei weitere verletzt. Dann hatten sich die rund 30 schwer bewaffneten Männer im serbisch-orthodoxen Kloster des Ortes verbarrikadiert und sich mit Kosovos Sicherheitskräften ein stundenlanges Feuergefecht geliefert.

Verkehrskontrolle in Zvečan
Verkehrskontrolle in Zvečan © APA/AFP/ARMEND NIMANI

Die traurige Bilanz der offensichtlich bewusst geschürten Eskalation der Gewalt: Außer dem erschossenen Polizisten wurden mindestens vier der serbischen Maskenmänner getötet, mehrere weitere Menschen verletzt.
Zum Gedenken an den getöteten Polizisten erklärte Kosovos Regierung den Montag zum nationalen Trauertag. Doch von Besinnung und Entspannungswillen war nach dem Blutvergießen weder in Belgrad noch in Pristina irgendetwas zu verspüren. "Pristina und Belgrad beschuldigen sich gegenseitig", titelte am Montag die serbische Zeitung "Danas".

Kurti: "Angreifer waren professionelle Formation"

Bei den rund 30 Angreifern habe es sich um eine "professionelle Formation" gehandelt, die ihre Attacke "lange vorbereitet" habe, sagte Kosovos Premier Albin Kurti. Die laufenden Ermittlungen müssten noch zeigen, wie und wann die "terroristische Gruppe" in gepanzerten Fahrzeugen ohne Kennzeichen in Kosovo gelangt sei und wer deren "Dirigenten" seien. Doch für Kurti bestehen keine Zweifel, dass die "Söldner"-Truppe "die politische, finanzielle und logistische Unterstützung" Belgrads genieße.

Späte Wortmeldung aus Belgrad

Auffällig spät meldete sich in Belgrad auch Serbiens sonst so mitteilungsfreudiger Staatschef Aleksandar Vučić zu Wort. "Kurti ist der einzige Schuldige für alles, was sich ereignet hat", lautet die Botschaft von Serbiens populistischem Landesvater, dem die Fäden im Kosovo zunehmend aus den Fingern zu rutschen scheinen. Er wolle den Tod des albanischen Polizisten zwar "nicht rechtfertigen". Aber es sei nur eine Frage der Zeit gewesen, bis die Kosovo-Serben, die von der Polizei seit Monaten verfolgt und provoziert worden seien, "sich erheben, weil sie Kurtis Terror nicht länger ertragen können".

"Wagner"-Imitation

Eine klare Antwort auf die Journalistenfrage, wer die Maskenmänner denn ausgerüstet und in Marsch gesetzt habe, blieb Vučić schuldig. Von einem spontanen Aufstand, wie von Serbiens Präsident suggeriert, könne bei der "strukturierten und gut organisierten Gruppe" keine Rede sein, sagt Avni Islami, Professor für Sicherheitswissen in Pristina. Die Formation wirke wie eine "Imitation" der Wagner-Söldner.

Tatsächlich bleibt bei der nächtlichen Attacke trotz des verrauchten Pulverdampfs viel im Nebel. Sicher scheint laut serbischen Medien, dass zwei der vier erschossenen Angreifer aus dem Nordkosovo stammen. Doch wo ist außer den vier getöteten, sechs verhafteten und zwei verletzten Angreifern, die Pristina vermeldete, der Rest der rund 30 Mann starken Truppe geblieben?

Flucht nach Serbien

Berichte, wonach der Großteil der Angreifer nach Serbien geflüchtet sei und zwei verletzte Kämpfer in der Klinik im südserbischen Novi Pazar behandelt würden, scheinen die Vorwürfe Pristinas zu bestätigen, dass die Kämpfer in Militärcamps in Serbien ausgebildet und ausgerüstet worden seien.

Rada Trajković von der oppositionellen "Europäischen Bewegung der Kosovo-Serben" nennt als denkbaren Drahtzieher auch den "Geschäftsmann" Milan Radoičić. Der stellvertretende Chef der "Serbischen Liste", der als Vučić-Vertrauter gilt, wird von der Justiz wegen des Verdachts der Beteiligung an einem Attentat auf einen Oppositionspolitiker gesucht.