Fadila hat früher jeden Tag die Nachrichten verfolgt, Zeitung gelesen und sich über die neuesten politischen Geschehnisse im Land informiert. Heute tut das die 68-Jährige kaum mehr. Die gebürtige Bosnierin ist müde und resigniert. Müde von den politischen Krisen, der Kriegsrhetorik und der Ungewissheit, ob hier ein neuer bewaffneter Konflikt ausbricht oder nicht. "Ich kann mir nicht ständig Gedanken über einen neuen Krieg machen, deswegen kümmere ich mich lieber um meine Enkelkinder", erzählt sie.

An Dodik kommt niemand vorbei

Die Zeitungen, die in Bosnien-Herzegowina an den Kioskständen aushängen, schreiben dagegen täglich über die angespannte politische Situation im Land. Vor allem an Serbenführer Milorad Dodik, dem Präsidenten der zweiten Entität im Land, der Republika Srpska (RS), kommt hier niemand vorbei. Der prorussische Politiker macht seit Jahren gegen das gemeinsame Staatsgebilde mit der bosnisch-kroatischen Föderation (FBiH) mobil und droht immer wieder mit einer Abspaltung der Republika Srpska, die sich dann entweder Serbien anschließen oder gänzlich unabhängig werden soll.

Bereits im Juli hatte Dodik angekündigt, neben den Urteilen des gesamtstaatlichen Verfassungsgerichts auch die Entscheidungen des Hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft für Bosnien-Herzegowina nicht mehr anzuerkennen. Derzeit hat dieses Amt der Deutsche Christian Schmidt inne. Der ehemalige CSU-Minister soll dafür sorgen, dass das 1995 geschlossene Dayton-Friedensabkommen, welches den Bosnienkrieg beendet und das Land zusammenhält, eingehalten wird.

Zuletzt drohte er Schmidt im Falle eines Besuchs der Republika Srpska sogar mit einem Einreiseverbot oder der Festnahme, auch wenn er diese Drohung später relativierte. 

Dass Schmidts Entscheidungen nicht mehr anerkannt und auch nicht mehr im Amtsblatt der Republika Srpska veröffentlicht werden, führte dazu, dass die bosnische Staatsanwaltschaft Anklage gegen Dodik und den Direktor des Amtsblatts, Miloš Lukić, erhob. Ihnen droht eine Haftstrafe zwischen sechs Monaten und fünf Jahren.

Hasserfüllte Kommentare gehören zum Alltag

"Obwohl Dodik seine sezessionistischen Bestrebungen nicht zum ersten Mal zum Ausdruck bringt, wird die Situation immer angespannter. Die Medien berichten auch viel intensiver darüber", erzählt Smail Lokvančić. Der 24-jährige Student aus Sarajevo packt gerade seine Koffer für ein Fellowship in den USA.

Für Menschen, die in der Republika Srpska leben, gehören Dodiks markige und oft hasserfüllte Kommentare aber fast schon zum Alltag. "Als jemand, der hier aufgewachsen ist, ist das nichts anderes als normale politische Rhetorik", sagt Dragana Vučković. Sie lebt im Osten Sarajevos, also jenen Teilen der Hauptstadt, die zur Republika Srpska gehören. Studiert hat sie unter anderem in Banja Luka, dem politischen Zentrum der Entität.

"Nicht genug junge Menschen für eine kriegerische Auseinandersetzung"

Angst vor einem neuen Krieg oder vor einer Sezession hat Vučković daher nicht. Auch Politikstudent Lokvančić hält derartige Szenarien derzeit nicht für realistisch. "Aufgrund der hohen Auswanderungsraten denke ich, dass wir nicht einmal genug junge Menschen für eine kriegerische Auseinandersetzung haben. Außerdem habe ich das Gefühl, dass die Jungen nicht so naiv sind, für die Interessen der politischen Eliten zu kämpfen", sagt der 24-Jährige selbstbewusst. Für immer aus Bosnien-Herzegowina wegziehen, möchte Lokvančić aber trotz aller Problem nicht. "Ich möchte mich für eine bessere Zukunft hier einsetzen. Es ist schließlich meine Heimat", sagt er.