Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat nach den tagelangen Unruhen im Land "grundlegende Antworten" versprochen. Im Kampf gegen weitere Unruhen zog Macron bei einem Treffen mit Bürgermeistern auch eine Blockade von Online-Medien in Betracht. Man müsse über die Nutzung sozialer Netzwerke durch die protestierenden Jugendlichen und mögliche Verbote nachdenken, sagte Macron bei dem Treffen, wie der Sender BFMTV berichtete.

Social Media im Visier des Präsidenten

"Und wenn die Dinge aus dem Ruder laufen, muss man sich vielleicht in die Lage versetzen, sie zu regulieren oder abzuschalten. Das sollte man auf keinen Fall im Eifer des Gefechts tun, und ich bin froh, dass wir das nicht tun mussten", so der französische Präsident bei dem Treffen mit 241 Bürgermeistern der von den Ausschreitungen besonders betroffenen Städte.

Bereits am Freitag hatte Macron auch die sozialen Netzwerke für die Gewalteskalation bei den Protesten gegen Polizeigewalt verantwortlich gemacht. Dort seien gewalttätige Versammlungen organisiert worden. Nun sagte Macron, über den Umgang mit sozialen Medien müsse in Ruhe nachgedacht werden. "Denn wenn es zu einem Instrument für Versammlungen oder für den Versuch zu töten wird, ist es ein echtes Thema."

Bei einem Treffen mit den Bürgermeistern sagte Macron, es gehe nicht darum, seit Jahrzehnten praktizierte Dinge zu wiederholen. Nötig sei eine "Antwort auf der Höhe dessen, was wir erlebt haben".

Frankreich verstärkt auch seine Grenzkontrollen

Unterdessen wurden in Nordfrankreich die Kontrollen an der Grenze zu Belgien verstärkt, um die Einfuhr von Feuerwerkskörpern zu stoppen, berichtete die Zeitung "Le Parisien" am Dienstagabend unter Verweis auf die Präfektur. Verhindert werden solle, dass sich die Krawallmacher mit Nachschub an Böllern eindecken. Beiderseits der Grenze seien bereits Menschen mit Pyrotechnik gestoppt worden. Die Präfektur in Nordfrankreich ordnete bis Mitte Juli ein Verbot des Verkaufs und Mitführens von Feuerwerk sowie in Kanistern abgefüllten Benzins an.

Nach Regierungsangaben wurden in den vergangenen Tagen über 3400 Menschen bei Ausschreitungen festgenommen. 684 Polizisten und Feuerwehrleute seien verletzt worden. Der Höhepunkt der Ausschreitungen sei überschritten, sagte der Präsident, obwohl in den kommenden Tagen und Wochen weiterhin Vorsicht geboten sei. "Es ist die dauerhafte Ordnung, die wir als oberste Priorität angehen müssen."

Seit dem Tod des 17-jährigen Nahel durch eine Polizeikugel bei einer Verkehrskontrolle am Dienstag vergangener Woche wurde Frankreich von schweren Krawallen erschüttert. Wiederholt kam es zu Plünderungen, Brandanschlägen und gewaltsamen Konfrontationen zwischen Polizisten und Randalierern. Gegen den Beamten, der den Schuss auf den Jugendlichen abgab, wird wegen Totschlagverdachts ermittelt.

Erste Schnellverfahren laufen bereits

Premierministerin Élisabeth Borne beriet am Dienstag mit den Fraktionsvorsitzenden beider Parlamentskammern über die Krise. Am wichtigsten sei nun, die Ruhe im Land wiederherzustellen mit massiver Polizeipräsenz und einem entschiedenen Vorgehen der Justiz, sagte Borne. Laut dem Sender BFMTV wurden erste Beteiligte bereits im Schnellverfahren verurteilt, unter anderem zu Haftstrafen mit elektronischer Fußfessel.

Gegen den Beamten, der den Schuss auf den Jugendlichen abgab, wird wegen Totschlagverdachts ermittelt. Frankreich sei ein Rechtsstaat und auch die Polizei an Gesetze gebunden, betonte die Regierung am Montag. Die Polizei habe aber keine systemischen Probleme mit Rassismus oder leichtfertigem Einsatz von Schusswaffen. Gerade in den vergangenen Tagen habe sie vielmehr Professionalität und Augenmaß bewiesen – trotz heftiger Ausschreitungen seien weder Randalierer noch Beamte zu Tode gekommen. Der Tod des Jugendlichen sei gleichwohl tragisch und bewege verständlicherweise die Gemüter. Auf Forderungen nach einer Polizeireform ging die Regierung bisher nicht ein.

Neue Details über Todesschuss auf 17-Jährigen

In dem von der Polizei gestoppten Wagen hatten sich laut neuen Details drei Jugendliche befunden. Die Zeitung "Le Parisien" veröffentlichte am Montagabend Schilderungen des Hergangs aus der Sicht eines 14-Jährigen, der auf der Rückbank saß, und die dessen Vater schriftlich der Zeitung übermittelte. Nahel traf den Buben demnach zufällig morgens und bot ihm an, ihn mit dem Auto zu einer Schulprüfung zu fahren.

Einer ersten Aufforderung der Polizei zum Anhalten habe der 17-Jährige nicht Folge geleistet, berichtete der Bub. Als der Verkehr stockte, hätten die Polizisten das Auto eingeholt und ihre Waffen auf den 17-Jährigen gerichtet. Einer habe dabei gedroht, ihm in den Kopf zu schießen. In Panik sei Nahel möglicherweise mit dem Fuß von der Bremse des Automatik-Wagens gerutscht, sodass dieser sich in Bewegung setzte. Der eine Beamte habe den anderen zum Schießen aufgefordert. "Der ist verrückt, der hat geschossen", habe Nahel noch gesagt, ehe er leblos zusammengesackt und der Wagen in eine Absperrung gefahren sei.