Es war einer der Tage, an denen sich Berlin mal wieder treu blieb. Die Stadt mag’s bunt. Die CDU gewinnt die Landtagswahl mit rund 28 Prozent der Stimmen, ein Plus von zehn Punkten – bestes Ergebnis für die Union seit 1999. „Berlin hat den Wechsel gewählt“, formulierte CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner einen Führungsanspruch. Doch so einfach ist es nicht. Der Union mangelt es (noch) an Machtoptionen. „Wer regieren will, muss es schaffen, eine stabile Mehrheit zu bilden“, sagte die amtierende Bürgermeisterin Franziska Giffey von der SPD. Das gilt freilich auch für die Sozialdemokraten.

CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner
CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner © (c) APA/AFP/ODD ANDERSEN (ODD ANDERSEN)

In ersten Hochrechnungen lagen die Grünen mit gut 18 Prozent knapp vor der SPD und warben um die eigene Führung einer Regierung. Die Linke kommt auf elf Prozent, die AfD auf rund neun Prozent, die FDP muss um den Einzug ins Abgeordnetenhaus bangen. Eine Fortsetzung der rot-grün-roten Regierung ist möglich. Doch im Bündnis knirscht es. So könnten SPD oder Grüne aus Frust über die Juniorrolle in einem rot-grün-roten Senat zur Union überlaufen. Die Koalitionsgespräche werden spannend.

Die amtierende Bürgermeisterin Franziska Giffey ist geschlagen
Die amtierende Bürgermeisterin Franziska Giffey ist geschlagen © (c) APA/AFP/JOHN MACDOUGALL

Erste Take-Aways aus der Berlin-Wahl

  • Die CDU kann auch Großstadt. Das ist ein großer Erfolg. Auch für den Bundesvorsitzenden Friedrich Merz. Er kann sich in seinem harten Kurs bestätigt sehen. Weder die Ausschlussdebatte gegen Rechtsaußen Hans-Georg Maaßen noch seine Äußerung über Kinder mit Migrationshintergrund („kleine Paschas“) störten den Wahlkampf. Im Gegenteil. Die Bundes-CDU betont, worauf die Frontstadt-Union in Berlin immer pochte: Recht und Ordnung. Das nach den Silvesterrandalen mit Abstand wichtigste Thema, für ein Viertel der Berliner Wählerschaft stand Sicherheit an erster Stelle. Alte Werte ziehen, gerade in unsicheren Kriegszeiten. Das klingt alles sehr klassisch, bis auf die Agentur. Die formulierte sogar leicht subversive Wahlkampfbotschaften:

    „Was Kriminelle bald häufiger hören. Haftbefehl“, etwa spielte an auf den gleichnamigen Rapper. „Berlin, wähl dich neu“, auf das Organisationsdebakel des regierenden Senats. So konnte die Berliner CDU bei niedriger Wahlbeteiligung ihre Basis mobilisieren. Klassische Themen, neuer Ton. Die Union entdeckt die Zukunft in der Vergangenheit.

    Einziges Problem: Der Partei fehlen die klaren Machtoptionen. „Wir werden eine erfolgreiche Berliner Koalition bilden“, sagte der Berliner Frontmann Wegner. Offen blieb zunächst, mit wem.

  • Die Grünen in Berlin sind ein weiteres Mal stark. Nun ist die Frage, was sie aus dem Ergebnis machen. Bis spät am Abend hielt sich die Hoffnung auf eine eigene Führung in einem grün-rot-roten Senat. Aber auch Schwarz-Grün fand auf der Wahlparty fiel Beifall. „Wir haben immer gesagt, wir wollen die Koalition fortführen, am liebsten unter grüner Führung“, sagte Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch selbstbewusst.

    Und sollte das nicht klappen? „Wir stehen für Gespräche mit allen demokratischen Parteien“, formulierte Jarasch offen.

  • Die SPD verharrt auf niedrigem Niveau. Auch in Berlin. „Von einem Abend, der nicht leicht ist“, sprach Giffey. Seit 2019 regiert sie die Stadt. Nun muss sie für die SPD das schwächste Ergebnis seit 2001 verkraften. Einziger Ausweg für Giffey: Sich in eine Regierung retten.

    „Dafür haben wir diesen Wahlkampf gemacht, dass Franziska Giffey Regierende Bürgermeisterin bleiben kann“, beharrte Generalsekretär Kevin Kühnert. Er kündigte aber auch eine harte Analyse an. Kann noch ungemütlich werden für Giffey. Selbst sie räumte ein: „Wir müssen uns neu aufstellen. Auf jeden Fall.“

  • Berliner Themen prägten die Wahl, vor allem der Frust über die Wahlwiederholung. Doch gibt es auch Konsequenzen für den Bund. Der neue CDU-Chef Friedrich Merz kann sich in seinem straffen Rechtskurs bestätigt sehen. Aber wie in Berlin fehlen die Bündnispartner.

    Kniffliger wird es für die FDP. Nach dem Scheitern in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen kratzt die Partei auch in Berlin an der Fünf-Prozent-Hürde. Für Bundeskanzler Olaf Scholz und die Ampel wird es nicht einfacher.

    FDP-Chef Christian Lindner wird fortfahren mit seinem Kurs. Die FDP droht von einer liberalen zu einer libertären Partei zu werden.

Fazit

Keine besonderen Vorkommnisse meldeten die Wahlbeobachter der OSZE. Ist nicht ganz so lustig, wie es klingt. Die Wahlbeteiligung lag bei knapp über 60 Prozent, mehr als zehn Punkte weniger als vor zwei Jahren. Noch ein Trend ist bemerkenswert: Die übrigen Parteien kamen auf rund zehn Prozent, jeder zehnte Berliner Wähler ist nicht im Parlament vertreten. Das Parteiensystem differenziert weiter aus. Auch in Deutschland.