Präsident Kais Saied hatte das alte Parlament Ende März aufgelöst, um seine politischen Gegner zu schwächen. Seit der Einführung einer umstrittenen neuen Verfassung im Sommer kann der Staatschef bereits ohne Zustimmung des Parlaments die Regierung sowie Richter ernennen und entlassen. Der Ex-Juraprofessor änderte auch das Wahlrecht.

Seit Monaten protestieren Anhänger und Gegner Saieds in dem nordafrikanischen Land. Die Opposition rief zum Boykott der Abstimmung auf. Die Parlamentswahl findet am zwölften Jahrestag der Selbstverbrennung des Gemüsehändlers Mohammed Bouazizi statt. Dessen Tod löste damals Massenproteste aus. Als Folge floh der autokratische Langzeitherrscher Zine El Abidine Ben Ali knapp einen Monat später ins Ausland.

Die in vielen Bereichen sehr chaotische junge Demokratie schaffte es bisher nicht, wichtige Reformen in Gang zu setzen. Viele Menschen sind heute ärmer als zu Zeiten vor dem Übergang zur Demokratie. Die Proteste in Tunesien galten auch als Initialzündung für Aufstände in anderen arabischen Ländern.