Rohöl aus Russland darf seit dem heutigen Montag nur noch in Ausnahmefällen in die EU importiert werden. Grundlage der Einfuhrbeschränkung ist eine im Juni von den 27 Mitgliedstaaten beschlossene Sanktionsverordnung wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Sie trat bereits kurz nach dem Beschluss in Kraft, sah aber für das Öl-Embargo Übergangsfristen vor. Der Kreml bekräftigte, den Deckel nicht akzeptieren zu wollen und bereitet Gegenmaßnahmen vor.
Ebenfalls ab diesem Montag gilt eine Regelung, die Russland dazu zwingen soll, Erdöl künftig für höchstens 60 US-Dollar (rund 57 Euro) pro Barrel an Abnehmer in anderen Staaten zu verkaufen. Zuletzt kostete die russische Erdölsorte Urals knapp 64 Dollar.
Beide Maßnahmen sollen dazu beitragen, die russischen Handelsgewinne zu begrenzen und dadurch auch Russlands Fähigkeiten zur Kriegsführung einschränken. Nach Angaben eines EU-Beamten sind von dem Embargo rund drei Millionen Barrel Rohöl pro Tag betroffen. Bei einem langfristigen Durchschnittspreis von 70 Dollar pro Barrel würden Russland damit pro Tag Erlöse in Höhe von etwa 210 Mio. Dollar entgehen. Dass die Öl-Menge komplett an andere Abnehmer verkauft werden kann, gilt als ausgeschlossen.
Dekret soll vorbereitet werden
Einem Insider zufolge bereitet die russische Regierung als Reaktion auf den Preisdeckel ein Dekret vor. Es soll heimischen Unternehmen und Händlern geschäftliche Kontakte mit Ländern und Firmen verbieten, die sich an der Obergrenze orientieren. Dadurch werde die Ausfuhr von Erdöl und Erdölerzeugnissen in solche Länder untersagt, sagte der Insider.
"Wir werden keine Obergrenzen anerkennen", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag der Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Moskau bereite Gegenmaßnahmen vor. Peskow nannte die von der EU beschlossene Strafmaßnahme, der sich auch die G7 und Australien angeschlossen haben, einen "Schritt in Richtung der Destabilisierung der internationalen Energiemärkte". Er betonte zudem, dass Russland seinen Krieg gegen die Ukraine trotzdem weiter finanzieren könne.
China ist nicht an Bord
Nicht unterstützt wird der Ölpreisdeckel von China. Peking wolle seine Energiekooperation mit Russland auf der Grundlage von Respekt und gegenseitigem Nutzen fortsetzen, berichtete die russische Nachrichtenagentur RIA am Montag unter Berufung auf das chinesische Außenministerium. Die Volksrepublik hat ihre Importe von russischem Öl in diesem Jahr erhöht, das deutlich günstiger zu haben ist als andere Ölsorten.
Auch der indische Außenminister Subrahmanyam Jaishankar reagierte sehr zurückhaltend auf den Preisdeckel. Nach einem Gespräch mit der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock verwies er am Montag in Neu-Delhi darauf, dass die Europäer seit dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine am 24. Februar mehr fossile Energieträger aus Russland importiert hätten als die nächsten zehn Staaten weltweit zusammen. Indem die Europäer nun aber zunehmend fossile Rohstoffe aus dem Mittleren Osten einkauften, trieben sie die Preise auch für Länder wie Indien nach oben.
Ausnahme für Pipeline-Öl
Vom Deckel ausgenommen ist Pipeline-Öl, das nach Europa fließt. Darauf hatte unter anderem Ungarn gedrungen. Die deutsche Regierung will ab 2023 aber auch auf diesem Weg kein russisches Öl mehr abnehmen. Bis dahin nimmt es eine Ausnahmeregelung in Anspruch, die für EU-Staaten gilt, die aufgrund ihrer geografischen Lage in besonderem Maße von Pipeline-Öl aus Russland abhängig waren und die Importe nicht so schnell ersetzen können. In der Bundesrepublik profitiert davon insbesondere die PCK-Raffinerie im brandenburgischen Schwedt. Sie wird bisher mit russischem Öl aus der Druschba-Pipeline versorgt, das nun ersetzt werden muss.
Bisher ohne Zeitbeschränkung wollen zunächst die Länder Ungarn, Tschechien und die Slowakei die Ausnahmeregelung in Anspruch nehmen. Weitere Ausnahmen gibt es für Bulgarien im Hinblick auf die Einfuhr von russischem Rohöl, das auf dem Seeweg transportiert wird, sowie für Kroatien im Hinblick auf Vakuum-Gasöl. Ein Embargo für Erzeugnisse aus Erdöl wird für alle anderen ab dem 5. Februar 2023 gelten.
Um die Preisobergrenze für russische Öl-Exporte in Nicht-EU-Länder durchzusetzen, wurde beschlossen, dass für russische Öl-Exporte wichtige Dienstleistungen künftig nur noch dann ungestraft geleistet werden dürfen, wenn der Preis des exportierten Öls die Preisobergrenze nicht überschreitet. Westliche Reedereien können mit ihren Schiffen damit weiterhin russisches Öl in Länder wie Indien, China oder Ägypten transportieren. Auch gilt die Regelung für andere wichtige Dienstleistungen wie Versicherungen, technische Hilfe sowie Finanzierungs- und Vermittlungsdienste.
Entspannung an den Energiemärkten erhofft
Die Hoffnung ist, dass die Preisobergrenze zu einer Entspannung an den Energiemärkten führt und auch Drittländer entlastet. Zudem soll damit auch dafür gesorgt werden, dass Russland nicht mehr von Preisanstiegen für Öl profitieren und damit seine Kriegskasse füllen kann. So machten Einnahmen aus dem Öl- und Gasverkauf nach Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) im vergangenen Jahr bis zu 45 Prozent des russischen Staatshaushaltes aus. Der Anteil von Öl an den gesamten Exporterlösen zugunsten des Staatshaushaltes lag nach Angaben von EU-Beamten bei rund 37 Prozent.
DIW-Präsident Marcel Fratzscher befürwortet den Preisdeckel westlicher Staaten für russisches Öl. Dies sei "ein Experiment mit guten Chancen auf Erfolg", sagte der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) am Montag. Zwar habe Russland angekündigt, den seit Wochenbeginn geltenden Preisdeckel von 60 Dollar nicht zu akzeptieren, doch hielten Marktakteure diese Drohung nicht für realistisch. "Der Ölpreis ist in den vergangenen Monaten gesunken und auch trotz dieser Androhung nicht merklich gestiegen", sagte Fratzscher. "Somit dürfte der Preisdeckel für russisches Öl sich als erfolgreiches Instrument erweisen, globale Preise zu stabilisieren."
Wenig Auswirkungen auf Österreich
Das EU-Embargo und der Preisdeckel dürften sich dann nur wenig auf Österreich auswirken, schätzt der Energie-Experte Walter Boltz im Ö1-"Morgenjournal". Österreich importiere schon länger kaum mehr Erdöl aus Russland. Der ehemalige E-Control-Chef rechnet aber mit leichten Preisaufschlägen. Bei Diesel, Benzin und Heizöl könnten die Preise für einige Wochen auch stärker steigen – Boltz sprach von fünf bis zehn Prozent.
Am Montag sind bereits die Rohölpreise gestiegen. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostete zu Mittag 87,30 US-Dollar. Das waren rund zwei Prozent mehr als am Freitagabend.