Sechs Jahre nach dem Schluss eines Friedensvertrags zwischen Kolumbiens Regierung und der linken Guerillaorganisation FARC ist der Abschlussbericht über die während des Bürgerkriegs verübten Verbrechen vorgelegt worden. "Es sind unbequeme Wahrheiten für uns alle", sagte der Vorsitzende der Wahrheitskommission, Francisco de Roux, bei der Präsentation des Berichts am Dienstag in Bogotá.
"Wir haben uns an den Tod und die Entführungen gewöhnt. Aber wer seine Verantwortung einräumt und anerkennt, wird von einem Teil des Problems zu einem Teil der Lösung", so de Roux.
27.000 Interviews
In zehn Kapiteln werden Menschenrechtsverletzungen gegen verschiedene Gruppen wie Indigene, Frauen, Kinder und Homosexuelle beschrieben, Stellungnahmen von Opfern und Tätern veröffentlicht und Empfehlungen für eine friedliche Zukunft ausgesprochen. Für den Bericht führte die Wahrheitskommission in knapp vier Jahren über 27.000 Interviews im ganzen Land.
"Die Anhörung der Opfer hat uns erschüttert: die Tausenden Kinder, die in den Krieg verschleppt wurden, die Suche nach Verschleppten, die Massengräber, die Tausenden von missbrauchten und gedemütigten Frauen, die massakrierten Bauern", sagte de Roux.
Die Wahrheitskommission überreichte eine Reihe an Empfehlungen an den künftigen Präsidenten Gustavo Petro. "Die Wahrheit hat eine Bedeutung, die nicht Rache, sondern Dialog, Einigung, Koexistenz und Versöhnung bedeutet", sagte Petro. Der Linkspolitiker und ehemaliger Guerillero tritt sein Amt am 7. August an. "Diese Empfehlungen werden dazu dienen, dass sich der bewaffnete Konflikt nicht wiederholt."
Wiedereingliederung ehemaliger Rebellen
Kolumbien litt 52 Jahre lang unter einem Bürgerkrieg zwischen linken Rebellen, rechten Paramilitärs und dem Militär. 220.000 Menschen kamen ums Leben, Millionen wurden vertrieben. 2016 schloss die Regierung einen Friedensvertrag mit der linken FARC-Guerilla. Die Wiedereingliederung der ehemaligen Rebellen ins zivile Leben gestaltet sich allerdings schwierig. Viele haben sich wieder kriminellen Gruppen angeschlossen. Auch die kleinere Guerillagruppe ELN kämpft noch immer gegen den Staat. Zwar hat sich die Sicherheitslage verbessert, aber gerade auf dem Land werden noch immer große Gebiete von bewaffneten Banden kontrolliert.
"Die Wahrheitskommission hat die Ursachen des Konflikts beleuchtet und seine schmerzvolle Wirklichkeit offengelegt", sagte die UNO-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet in einer Videobotschaft. "Ohne die Wahrheit ist Versöhnung nicht möglich. Ohne Versöhnung bleibt das Risiko einer Wiederholung bestehen."
Die Wahrheitskommission rief die Regierung dazu auf, den Friedensvertrag mit den FARC konsequent umzusetzen. Von den Splittergruppen der FARC, den ELN-Rebellen und anderen kriminellen Organisationen verlangte die Kommission, die Waffen niederzulegen.
"Es gibt immer noch einen Konflikt zwischen verschiedenen Akteuren, der in einer weiteren Phase der totalen Konfrontation wieder an Kraft gewinnen könnte, wenn keine ernsthaften Schritte zur Friedenskonsolidierung unternommen werden", sagte de Roux.