Die 120 Abgeordneten der Knesset sind sich eigentlich alle einig, dass Neuwahlen in Israel schon wieder notwendig sind, zum dritten Mal in einem Jahr. Doch für die Auflösung des Parlaments bedarf es eines Grundgesetzes und das kann nur mit einer absoluten Mehrheit, also 61 Stimmen, verabschiedet werden.
Wegen der fast gleichen Stimmverteilung zwischen Regierung und Opposition hängt jedes Gesetzesvorhaben von dem Willen eines einzigen Abgeordneten ab, also auch von irgendwelchen ehrgeizigen Hinterbänklern. Die sehen die Chance, einmal in die Nachrichten zu gelangen und "nationales Gesprächsthema" zu werden. Das tun sie natürlich auch angesichts des bevorstehenden Wahlkampfes.
Israels Parlament wird (heute) Montag voraussichtlich über seine Auflösung abstimmen. Damit würde der Weg für eine Neuwahl der Knesset im Herbst geebnet - der fünften Wahl innerhalb von dreieinhalb Jahren. Die Acht-Parteien-Regierung von Ministerpräsident Naftali Bennett ist nach nur einem Jahr am Ende, nachdem sie im Parlament die Mehrheit verloren hat. Der rechtskonservative Oppositionsführer Benjamin Netanyahu hofft dagegen auf eine Rückkehr ins Amt.
Prozess gegen Netanyahu
Ein großes Streitthema ist die Verabschiedung eines Gesetzes, das speziell auf den derzeitigen Oppositionschef Benjamin Netanyahu gemünzt ist und einem Angeklagten verbieten soll, sich künftig als neuer Regierungschef aufstellen zu lassen. Die schon in einer ersten Lesung zugelassene Vorlage verstößt eigentlich gegen demokratische Grundsätze. Auch in Israel gilt man als "unschuldig", solange ein ordentliches Gericht kein Urteil ausgesprochen hat.
Noch läuft der Prozess gegen Netanyahu wegen angeblicher Bestechung und Korruption, aber die Richter haben noch nicht entschieden, ob die Mitbringsel seiner Milliardärsfreunde einem Blumenstrauß ähnliche Gastgeschenke waren oder aber versuchte Bestechung. Es geht um viele Flaschen französischen Champagners und Havanna-Zigarren. Freunde des ehemaligen Ministerpräsidenten stemmen sich gegen die vermeintliche Vorverurteilung Netanyahus durch jene Aktivisten, die wochenlang gewaltsam vor seiner Residenz in der Jerusalemer Balfour-Straße demonstriert haben.
Streitthema Familie
Ein weiteres Streitthema betrifft jede Familie mit Kindern. Die Lehrer streiten, weil sich die Lehrergewerkschaft und Finanzminister Avigdor Liberman immer noch nicht auf eine gebührende Entlohnung der Lehrer einigen konnten. Die Lehrer verlangen umgerechnet 2.884 Euro als Monatslohn für Anfänger und langgediente Lehrer, während der Finanzminister den Daumen auf dem Staatsgeld hält und ihnen höchstens 2.360 Euro pro Monat zubilligen will.
Weil die Lehrer streiken, fallen Sommerkurse und geplante Ausflüge während der Sommerferien aus. Zudem wagt niemand vorherzusehen, ob das Schuljahr am 1. September beginnen kann. Der Lehrerstreik bedeutet, dass viele Eltern zuhause bleiben müssen, um auf ihre Kinder aufzupassen, wenn die nicht in die Schulen geschickt werden können. Das lähmt dann die ganze Wirtschaft. Ebenso geht es um den Bau einer Metro in Tel Aviv und um die Erweiterung von Landstraßen mitsamt Mittelstreifen und einer Spur um sicher am Straßenrand anhalten zu können. Schwere Autounfälle mit vielen Toten sowie die unendlichen Verkehrsstaus im Landeszentrum machen tägliche Schlagzeilen. Doch die Gelder zur Finanzierung dieser Projekte kommen viel zu zögerlich. Arabische Abgeordnete wie Ahmad Mansour nutzen die Gelegenheit, um Vorteile und eine Erfüllung von Versprechen gegenüber den arabischen Israelis einzufordern.
Wenn die Regierung nicht einknickt, drohen sie, nicht für die Auflösung des Parlaments zu stimmen. Aber eine einzige Stimme reicht, um das Projekt zu Fall zu bringen.